Seit 60 Jahren hat Stuttgart einen Hafen. Doch viele Menschen in der Stadt kennen das Gebiet gar nicht. Berufsschifferin Claudia Hein hält hier alle zwei Wochen an. Wie sieht ihr Alltag auf einem Frachtschiff aus?

Stuttgart - Kali muss den Platz am Steuer abgeben. Jetzt übernimmt Claudia Hein. Kali, ein schwarzer Hund, hüpft vom Sitz. Der Vierbeiner hatte im Führerhäuschen des Frachtkahns auf dem Steuersitz gewartet. Hier ist es dank Klimaanlage an heißen Sommertagen schön kühl. Doch jetzt ist Abfahrt. Kali muss sich wieder mit einem Kissen auf dem Boden begnügen. Frauchen Claudia Hein füllt noch einige Formulare aus. Dann startet sie den Motor. Die Reise der Kapitänin beginnt auf ein Neues.

 

Eine Ladung Schrott bringt Hein von Stuttgart nach Kehl in die badischen Stahlwerke. Anschließend geht es – geladen mit Sand für Bauunternehmen in der Region – zurück in die Landeshauptstadt. Zehn bis vierzehn Tage dauert ein Turnus bei Claudia Hein. Auf Neckar und Rhein, immer irgendwo unterwegs zwischen Stuttgart und Kehl oder Straßburg, spielt sich ihr Leben ab. 1252 Tonnen Material kann Heins Schiff transportieren. Die Ladung zu löschen und neuen Schrott oder Sand auf die „MS Minerva“ zu schaufeln, dauert seine Zeit.

Wie bekannt ist der Hafen in Stuttgart?

60 Jahre alt wird der Stuttgarter Hafen in diesem Jahr. Claudia Hein kennt das Gebiet gut – im Gegensatz zu den meisten Stuttgartern, glaubt die Kapitänin. Ein Mal sei ihr Matrose mit dem Auto unterwegs gewesen und habe den schnellsten Weg auf der Straße zur nächsten Schleuse gesucht. „Er hat drei Leute gefragt. Die wussten nicht mal, dass hier in der Gegend Schleusen sind“, sagt Hein.

Etwa 92 Fußballfelder groß ist das Hafengebiet in Hedelfingen. Mehr als 3000 Menschen arbeiten hier. Die Hafen GmbH im Eigentum der Stadt Stuttgart erwirtschaftet satte Gewinne. Sechs Millionen Euro waren es im vergangenen Jahr. Dabei war das Projekt vor seinem Bau umstritten.

Wenn Claudia Heins Schiff im Stuttgarter Hafen neu beladen wird, kann die Kapitänin nicht die Füße hochlegen. Stattdessen gibt es vieles zu erledigen. „Für Hafenromantik bleibt da nicht viel Zeit“, sagt Hein. Büroarbeit und Organisation fallen an, zudem müssen die Schifferin und ihr Matrose Simon ihre Kühlschränke wieder auffüllen. Bis zum nächsten Halt in Stuttgart muss der Proviant reichen, denn das Auto von der „MS Minerva“ zu hieven, ist nur an wenigen Anlegestellen möglich.

Im Video: Ablegen mit der „MS Minerva“

Wenn sie im Supermarkt die Packungen ganz hinten aus den Regalen nimmt, erntet Hein böse Blicke. „Die Leute wissen ja nicht, dass das Zeug bei uns lange haltbar sein muss“, sagt Hein. Vieles aber schätzt Hein, gebürtig von der Mosel, an ihrem Beruf.

Sehen Sie im Video: Was begeistert die Berufsschifferin am Leben auf dem Neckar? Wie steuert man ein 85 Meter langes Schiff? Welche Tücken birgt der Neckar für Kapitäne? Und wie ist der Zusammenhalt unter den Berufschiffern auf dem Fluss? Wir haben Claudia Hein einen Tag mit der Kamera begleitet.