Baden-Württemberg gilt als Heimat der Tüftler und Erfinder –die hierzulande entwickelten Erzeugnisse waren auch immer Ausdruck ihrer Zeit. Doch wofür stehen Hochdruckreiniger und Heckenschere wirklich? Eine Ideengeschichte in Produkten.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Martin Gerstner (ges)

Stuttgart - 50er Jahre Diese Truhe hält einiges aus. Sie trägt schwer an ihrem massiven Holzgehäuse, an den bulligen, emaillefarbenen Tasten. Der Saba Rundfunkempfänger Wildbad 8 war eines der Renommierprodukte aus dem Südwesten. Er kam 1957 auf den Markt, zuvor hatten die Schwarzwälder Apparate-Bau-Anstalt August Schwer Söhne GmbH bereits den Fernseher Schauinsland W II auf den Markt gebracht. Die Geräte waren weit mehr als bloße Technik. Sie waren die Behälter, in denen sich die Katastrophen, Verletzungen und Traumata der Kriegszeit sicher einschließen ließen.

 

Ihr Aussehen war dunkel, ein wenig drohend, bestenfalls melancholisch. Alles Leichte, Klare, Freundliche war ihnen fremd – auch wenn die Besitzer auf der Skala auf der Ultrakurzwelle fast immer die „Caprifischer“ oder „Maria aus Bahia“ einstellten. Sie waren die Altäre der Zerstreuung in den Wohnstuben der Ära des Wirtschaftswunders. Ihre Solidität und technische Leistungsfähigkeit rechtfertigten das zunehmend lautere Schulterklopfen der Dekade. Man war wieder wer.

Sie standen für die Innovationskraft des Südwestens. Kofferradios, Tonbandgeräte, Tonstudios verließen die Labors und Fertigungsstätten von Firmen wie Saba und Grundig. Der Käufer hörte die ersten Gehversuche späterer Entertainer wie Peter Frankenfeld im Radio, schloss die Wunden der Vergangenheit und blickte nach vorne.

Doch im Schatten der Truhen brodelte es bereits. Die skeptische Generation, misstrauisch gegenüber Ideologien und scheinbar so fügsam, rebellierte – oft stimuliert vom ersten Rock ’n’ Roll aus dem Radio. Zugleich emanzipierte sich das Technikdesign vom sakralen Charakter der Musiktruhen aus dem Schwarzwald. Otl Aicher, der für die optische „Läuterung“ deutschen Designs nach dem Krieg steht, bereitete den Boden für die Gründung der Hochschule für Gestaltung in Ulm und entwarf für die Firma Braun den sogenannten Schneewittchensarg, eine Rundfunk-Phono-Kombination aus dem Jahr 1957. Das Gerät war weiß, optisch sauber und räumte endgültig mit dem schwermütigen Barock der Nachkriegstruhe auf. Leisten konnten es sich nur wenige. Die spielten eher Charlie Parker ab als Rudi Shuricke