Abenteuer und Freiheit in der Fremde – Auslandskorrespondenten haben ein abwechslungsreiches Leben. Dass es nicht ganz so bunt ist, wie mancher Hollywoodfilm zeigt, dafür sorgen der Alltag und fordernde Kollegen in den Redaktionen im fernen Deutschland.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Auslandskorrespondent zu sein, das klingt nach Abenteuer, viel Abwechslung und reichlich Vergnügen. Im Fall von Paris heißt es auch, dort arbeiten zu dürfen, wo andere Urlaub machen. Diese Beschreibung trifft das Berufsbild tatsächlich ziemlich genau – wenn nur nicht immer wieder der Alltag dazwischenkäme. Der ist bisweilen weniger bunt, als er in den Hollywoodfilmen gezeichnet wird, die die Vorstellung der Menschen vom Leben eines Journalisten prägen. Abhängig sind die Erfahrungen natürlich auch vom Land, aus dem man für einige Jahre berichten darf. Das Moskau der 1990er Jahre, in dem ein rücksichtsloser Raubtierkapitalismus wütete, ist natürlich ein anderes Kaliber als das Paris im Jahr 2020.

 

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Eine Erfahrung macht man allerdings in allen Ländern: der Anfang ist immer das Schwerste. Da gilt es etwa, den Fängen von raffgierigen Vermietern zu entkommen, die glauben, dass ein Fremder aus dem reichen Deutschland jede Summe für jedes noch so düstere Loch bezahlt. Der Kampf mit dem Tarifdschungel der Telefon- und Internetanbieter bietet Stoff für abendfüllende Erzählungen. Und es ist kaum zu glauben, welche Geschichten beim Ummelden eines Autos passieren können. Vom Einrichten eines geeigneten Bankkontos, dem Abschließen notwendiger Versicherungen oder dem Anmelden beim Einwohnermeldeamt ganz zu schweigen.

Alltagshürden in der ersten Zeit

Das Problem: ständig hat man das Gefühl, gerade mächtig über den Tisch gezogen zu werden. Der Start in den Beruf als Auslandskorrespondent ist also erst einmal mit einigen nervenaufreibenden Geduldsproben und sehr viel Ärger verbunden. Hinzu kommt, dass dieser Einstieg in einer Sprache absolviert wird, die man zwar beherrscht, aber nicht in all ihren Ausformungen fließend.

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Aber auch dieser Anfang hat irgendwann einmal ein Ende. Dann macht sich die wohlige Gewissheit breit, es trotz aller Hindernisse geschafft zu haben. Das ist der Moment, in dem man zum ersten Mal dieses grandiose Gefühl der Freiheit verspürt. Alleine auf sich selbst gestellt, die Kollegen in den Redaktionen weit weg, liegt einem Korrespondenten das Land praktisch zu Füßen. In dieser Sekunde klingelt dann meist ziemlich schrill das Telefon. Am anderen Ende der Leitung meldet sich aus dem fernen Deutschland ein Kollege, der einen Hintergrundbericht zur bevorstehenden Regierungsumbildung haben möchte – natürlich so schnell wie möglich.

Journalismus hat nicht nur eine sehr kreative Seite hat, es ist auch ein Handwerk. Und gefragt sind meist nicht die großen Reportagen, für die man durchs Land reist. Angefordert werden oft erklärende Stücke, für die vor allem die tägliche Lektüre von Zeitungen und ein gutes Netzwerk von Informanten notwendig ist. Ganz normaler Journalistenalltag also.

Die guten Geschichten sind im alltäglichen Leben zu entdecken

Bezahlt wird man als Auslandskorrespondent allerdings nicht dafür, den ganzen Tag am Schreibtisch zu sitzen. Die interessanten Geschichten liegen auf der Straße. Bisweilen sind es allerdings nicht die großen Reisen, die einen tiefen Einblick in das Leben der Menschen in einem Land geben, sondern die kleinen Begebenheiten an der nächsten Straßenecke.

Und genau dafür zahlt es sich aus, nicht nur auf Besuch zu sein, sondern ins ganz alltägliche Leben eintauchen zu können. Ein Gang über den riesigen Dorogomilowski-Markt in Moskau ist wie ein Streifzug durch den Kaukasus. Wunderbar trostlos ist eine Geschichte über das ausgestorbene Rom im August, wenn alle italienischen Freunde zu ihrer Familie aufs Land oder ans Meer flüchten und die Stadt den Touristenhorden überlassen. Oder wie erzählt man die Geschichte der alten polnischen Nachbarin in Warschau, deren Eltern von den Deutschen im Krieg hingerichtet wurden und die jetzt, 60 Jahre nach Kriegsende, diese beiden kleinen deutschen Kinder tief ins Herz geschlossen hat.

Allerdings macht die Zeit auch vor dem Journalistenberuf nicht halt. Das Internet hat das ohnehin schon schnelle Metier noch hektischer gemacht. Vom Brand in Notre-Dame wird inzwischen live über die sozialen Medien berichtet. Und auch die erste Reportage über das Unglück muss noch am Abend der Katastrophe geschrieben und an die wartenden Redaktionen nach Deutschland geschickt werden.

Die Suche nach dem Außergewöhnlichen gehört dazu

In solchen Momenten allergrößter Anspannung funktioniert man als Journalist bisweilen weniger wie ein denkender Mensch, sondern wie eine schreibende Maschine, die Augen und Ohren hat, alle Eindrücke in sich aufsaugt und das Gesehene und Gehörte in kürzester Zeit in einen (hoffentlich) lesbaren Text fließen lassen kann. Auch das ist ein über Jahre eingeübtes Handwerk.

Doch es wäre nicht der Job des Auslandskorrespondenten, wenn die Suche nach dem Außergewöhnlichen in einem fremden Land nicht dazugehören würde. Und da steht man dann nach einer tagelangen Reise durch Usbekistan verdreckt und todmüde am austrocknenden Aralsee und sieht in der flirrenden Sonne die gigantischen gestrandeten Frachtschiffe wie Dinosaurier im Wüstensand liegen.

Oder man sitzt in der Ostukraine im vom Krieg umtobten Donezk mit Soldaten an einer heruntergekommenen Hotelbar, trinkt Wodka und hört sich ihre Heldengeschichten an, wie sie noch vor wenigen Stunden den blutigen Angriff der Gegner zurückgeschlagen haben. Das sind die überwältigenden Momente im Leben eines Auslandskorrespondenten, die süchtig machen können. Auf jeden Fall geben sie die Gewissheit, dass man irgendwie doch den schönsten Beruf der Welt gewählt hat.

StZ-Auslandskorrespondent

Knut Krohn (58) arbeitet seit inzwischen über 20 Jahren bei der Stuttgarter Zeitung. Davor berichtete er für mehrere deutsche Tageszeitungen einige Jahre als freier Korrespondent aus Italien und Russland. Nach einigen Jahren als Redakteur in der Außenpolitik der Stuttgarter Zeitung ging er 2007 als Korrespondent nach Polen, von wo er auch über die Ukraine und Weißrussland berichtete. Nach einem erneuten Zwischenstopp in Stuttgart berichtete Knut Krohn nun seit Anfang 2019 aus Paris.