Der Stuttgarter Bauingenieur Jörg Schlaich wird am Freitag achtzig. Er war Mitkonstrukteur des Dachs des Münchner Olympiastadions.

Stuttgart - Vor ein paar Jahren hat sich der Stuttgarter Bauingenieur Jörg Schlaich aus dem Berufsleben zurückgezogen und seinen Wohnsitz nach Berlin verlegt. Auch das Büro, das immer noch unter dem Namen Schlaich, Bergermann und Partner firmiert, aber inzwischen von Schlaich jun. und seinen Partnern geführt wird, ist umgezogen: von der Mörikestraße an die Schwabstraße. Seitdem hat man bei einem Gesprächstermin mit den Ingenieuren nicht mehr das Gefühl in eine Anwaltskanzlei oder die Amtsräume eines kirchlichen Würdenträgers zu kommen, wie in dem alten, gründerzeitlichen Gebäude mit seinen dunkelbraunen Wandvertäfelungen. Im neuen Büro haben sich die Ingenieure von den Stuttgarter Innenraumdesignern Ippolito Fleitz eine poppig-bunte Arbeitswelt einrichten lassen, die den Generationswechsel schon optisch zum Ausdruck bringt.

 

Was an Brückenbauwerken, Stadien, Türmen, Messehallen, Dächern und Fassaden in Stuttgart konstruiert und erfolgreich in alle Welt exportiert wird, steht aber immer noch in der Tradition des „Ingenieurkünstlers“ Jörg Schlaich. So hat ein prominenter amerikanischer Ingenieur seinen deutschen Kollegen im Katalog der großen Ausstellung 2004 über das Werk von Schlaich, Bergermann und Partner im Frankfurter Deutschen Architekturmuseum bewundernd genannt. Soll heißen, dass sich der Stuttgarter Technikpionier nie damit zufrieden gab, dass etwas – schwäbisch gesagt – „hebt“. Ihm ist es immer auch auf die Ästhetik des Ingenieurbaus angekommen, auf leichte, elegante, von Effizienz, Ästhetik und Ökologie geprägte Konstruktionen.

Filigrane Fußgängerbrücke über den Max-Eyth-See

Das war schon so, als er als junger Ingenieur im Büro seines „Meisters“, des Fernsehturm-Planers Fritz Leonhardt, die Seilnetzkonstruktionen für das Müchner Olympiadach austüfelte und damit – im Verein mit dem Architekten Günter Behnisch und dem Ingenieur Frei Otto, ebenfalls zwei Stuttgartern, den modernen Stadionbau revolutionierte. Und das Eleganzgebot galt auch für Werke wie die filigrane Fußgängerbrücke über den Max-Eyth-See oder den Aussichtsturm auf dem Killesberg, ein Wunderding an Materialminimalismus und Grazie, für die rote Klappbrücke in Kiel, die sich zusammenfalten kann, ebenso wie für die geniale Katzenbuckelbrücke in Duisburg, die einen runden Rücken macht, wenn ein Schiff passieren muss. Jörg Schlaich ist damit ein herausragender Vertreter des Ingenieurbaus made in Stuttgart, der genau dieser Eigenschaften wegen international hoch im Kurs steht. Die Liste der Preise und Auszeichnungen, die ihm verliehen wurden, ist lang.

Als Professor an der Stuttgarter Universität, wo er von 1974 bis 2000 das Institut für Entwerfen und Konstruieren leitete, sensibilisierte er seine Studenten genau für diese Haltung: nicht allein auf das Bewährte zu setzen, dem Fachidiotentum eine Absage zu erteilen. Ohne Kultur, ohne „bewusstes und kreatives Gestalten“, so lautete seine Überzeugung, werde unsere Infrastruktur, und sei sie technisch noch so perfekt, „nicht zur Zivilisation“.

Am heutigen Freitag feiert Jörg Schlaich seinen achtzigsten Geburtstag. Glückwunsch vom Neckar an die Spree!