Vor Jahren ist Gerhard Braun Europameister der Friseure geworden, er arbeitete eine Zeit lang für den Hersteller L’Oréal in Paris. Heute schneidet der 87-Jährige in seinem Salon in einem Keller in Stuttgart-Vaihingen die Haare seiner Stammkunden.

Vaihingen - Es ist gar keine Frage für Gerhard Braun, warum er mit 87 Jahren immer noch seinem Beruf als Friseur nachgeht: „Mir macht das einfach so riesig Spaß“, sagt er mit einem breiten Grinsen, so dass man es sogar trotz Maske sieht. Jeden Freitag und Samstag kommen immer noch Kunden in den kleinen Salon in seinem Keller. Die Treppe nach unten ist für den Vaihinger zwar mittlerweile eine kleine Herausforderung. „Aber wenn ich humple, macht das gar nichts. Die Kunden, die zu mir kommen, humpeln mit“, sagt Braun. Einige lassen sich bereits seit 50 Jahren von ihm die Haare schneiden.

 

Stundenlang könnte Gerhard Braun Geschichten davon erzählen, was er bei Friseur-Wettbewerben erlebt hat, wie sich die Branche und Frisuren verändert haben und wem er schon alles die Haare geschnitten hat. Die Essenz aller Erzählungen ist aber: „Haare sind mein Hobby.“ Deshalb hat Gerhard Braun das Geschäft auch nie aufgegeben.

Beide Eltern hatten diesen Beruf

Er stammt aus einer richtigen Friseurs-Familie, beide Eltern hatten diesen Beruf. „Ich wurde gar nicht gefragt, was ich machen will, mein Vater hat mir den Kittel gegeben, und schon war ich in der Lehre“, erzählt Braun. Auch seine Frau und etliche Verwandte seien Friseure gewesen. „Jetzt bin ich der Letzte, der übrig ist“, sagt er. Zumindest ist er der letzte aktive Friseur in seiner Familie. Seine Frau hat jahrelang den Salon im heimischen Keller mitbetrieben, heute ist sie 85 Jahre alt und im wohlverdienten Ruhestand. Früher hat sie oft als Model für ihren Mann hergehalten. „Vor Wettbewerben sind wir auch nachts noch stundenlang dagesessen, bis alles gepasst hat“, erzählt sie. Gerhard Braun ist dreifacher baden-württembergischer Meister der Friseure und Europameister. Den Erfolg erklärt sich der Vaihinger mit seinem Aufenthalt in Paris. Dort hat er eine Zeit lang für den Hersteller L’Oréal gearbeitet. „In Paris war man einfach der Zeit voraus“, sagt Gerhard Braun, „dort hat man schon Strähnen gemacht, als man das in Deutschland noch nicht kannte. Ich habe mir dann ein Dösle Farbe geholt und die dunklen Haare von meinem Model gesträhnt, das gab dann gleich den ersten Preis“, erzählt er weiter.

Für Wella Models frisiert

Ein Highlight für Gerhard Braun war, als er für das Unternehmen Wella Models frisieren durfte. Seine Frisuren sind dann in Salons aufgehängt und als Werbung genutzt worden. „Schneiden durfte man bei diesen Models nichts, die hatten ja alle ihren eigenen Friseur irgendwo“, sagt er. Aus allen Ecken kann Gerhard Braun alte Fotos ziehen, auf denen Menschen mit den ausgefallensten Frisuren abgebildet sind – die meisten dieser Fotos sind sehr alt. Denn Frisuren seien heute gar nicht mehr so wichtig wie damals. „Heute ist es eher eine Schnitt-Frage“, erklärt der Profi. Halblange Haare seien zurzeit angesagt – die mag Gerhard Braun auch selbst am liebsten. „Ich finde auch Hochsteckfrisuren gut, aber meine Kunden sind jetzt älter geworden, da wird nicht mehr viel hochgesteckt“, sagt er.

Seit etwa 25 Jahren schafft Gerhard Braun nun in seinem Keller. Vorher hatte er einen Salon in der Stuttgarter Innenstadt. Als zwei Mitarbeiter den Laden übernehmen wollten, hat er sich zurückgezogen. Neue Kunden nimmt er heute nicht mehr an; er sei ausgelastet. Die Arbeit macht ihm bis heute nicht nur Spaß, sondern hilft ihm auch, über das ein oder andere Problem im Alter hinwegzusehen. „Man hat es immer verdrängt, wenn man krank geworden ist, weil man ja da sein muss für die Kundinnen“, sagt Gerhard Braun.