Das Tempo wird 90 und hält sich beharrlich als Synonym für das Papiertaschentuch an sich. Die entscheidende Frage ist: Wie benutzen Sie als erfahrener Schnäuzer das Tempotuch?

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Nürnberg/Stuttgart - Irgendwer hat immer eins zur Hand. Sie stecken in Millionen Jacken-, Hand- und Hosentaschen, meist zerknüllt und ganz unten. Oder, wenn’s blöd läuft, in der Waschmaschine. Millionen Menschen nutzen Papiertaschentücher – viele davon Tempo.

 

Und viele nutzen irgendein anderes und sagen trotzdem Tempo. Denn wie nur wenige andere Marken haben es die akkurat gefalteten weißen Tücher aus der blauen Packung geschafft, mit ihrem Namen in den allgemeinen Sprachgebrauch überzugehen. So gut wie jeder kennt ihn. Aber will jeder, der „Hast du ein Tempo?“ fragt, tatsächlich unbedingt und ausschließlich ein echtes Tempo?

90 Jahre Tempo

In diesem Jahr feiert die Marke ihren 90. Geburtstag. Bereits vom 29. Januar 1929 datiert die Anmeldung beim damaligen Reichspatentamt in Berlin. Die offizielle Eintragung des Warenzeichens erfolgte am 18. September 1929. Oskar Rosenfelder, Mitinhaber der Vereinigten Papierwerke Nürnberg, reichte den Antrag laut Markenhistorie damals ein.

Viel hat sich getan seither – Innovationen, Weiterentwicklungen, Eigentümerwechsel – aber eines ist seit Jahrzehnten gleich: Tempo ist Taschentuch und Taschentuch ist Tempo. Generische Verselbstständigung heißt dieses Phänomen, das man auch von Zewa, Tesa und Uhu, dem Labello und Edding, der Tupperdose und dem Walkman kennt – mal mehr, mal weniger, und zum Teil auch regional unterschiedlich.

Markennamen Tempo kennt jeder

„Das ist Fluch und Segen zugleich“, sagt Franz-Rudolf Esch, Direktor des Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung der EBS Business School in Oestrich-Winkel bei Wiesbaden. „Exklusive Markenbekanntheit ist erst einmal etwas sehr, sehr Wertvolles“, erklärt er. „Das gelingt den wenigsten.“

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Nämlich nur denen, die ein bestimmtes Produkt ganz neu erfinden oder den Markt in der jeweiligen Kategorie sehr stark dominieren. Und die könnten dann zunächst auch davon profitieren. Tempo habe das getan, den Markt geprägt, Innovationen vorangetrieben.

Fragt sich jetzt nur, welcher Typ Tempo-Nutzer Sie sind?

Schnäuzbohrer oder Abtupfer?

Die Schnäuzer-Typologie umfasst die Basisvarianten, wie man ein Papiertaschentuch üblicherweise benutzt. Gehören Sie zur großen Gruppe der Zweihand- oder Einhandschnäuzer? Schnäuzen Sie mit geschlossenem oder offenem Mund? Sind Sie Ein-Nasenloch-Zuhalten-Schnäuzer oder Schnäuzbohrer, der sich beim Putzen mit dem Taschentuch in der Nase bohrt?

Die dezentere Variante des sanften Abtupfens ist vor allem bei Frauen beliebt, während Männer auf brachialere Methoden stehen.

Trompete oder Schnauber?

Auch was die Geräuschkulisse betrifft, gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Männer gehören beim Schnäuzen eher zu den lauten Trompetern, während Frauen das leise Ausschnauben bevorzugen.

Nach Angaben von Experten ist es gesündesten, wenn man sich ein Nasenloch zuhält und ohne viel Kraft schnaubt. Beim Trompeten kann leicht Sekret in die Nebenhöhlen und in den Verbindungsgang zum Mittelohr gelangen, was die Entzündungsgefahr potenziell erhöht.

Falter oder Nicht-Falter?

Damit ein Taschentuch schnell mit einer Hand aus der Packung entnommen und mit einem Griff auseinandergefaltet werden kann, hat Tempo 1975 die Z-Faltung eingeführt.

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Was man dann mit dem Papiertaschentuch macht, ist Sache des Benutzer. Die einen falten es nicht und schnäuzen einfach in die Mitte. Andere falten das Taschentuch einmal in der Mitte, wieder andere basteln sich aufwendig ein Dreieck.

Eigenes oder fremdes Tempo?

Würden Sie in das benutzte Papier- oder Stofftaschentuch von jemand anderem schnäuzen? Igittigitt, nein! werden die meisten jetzt sagen. Aus Sicht von Experten das richtige Verhalten.

Man sollte ein Papiertaschentuch nach jedem Gebrauch wegwerfen, um eine Ansteckungsgefahr zu vermeiden. Als Tempo vor 80 Jahren erfunden wurde, war die hygienische Einmalbenutzung eine bahnbrechende Innovation.

Mit Zusatz oder Original?

Tempo verbucht als Marke neben der Erfindung der Z-Faltung, auch die wiederverschließbare Packung für sich. Das war im Jahr 1988. In den 1990er-Jahren kam die Taschentuch-Box für Vorrats-Schnäuzer, danach auch mit diversen Balsam- und Öl-Zusätzen.

Seit 2017 vermarktet Tempo seine Taschentücher außerdem als waschmaschinenfest. Erfahrungen von Hausfrauen und Hausmännern belegen allerdings, dass die Taschentücher den Waschgang auch als mehrere dünne Lagen oder komplett zerbröselt überstehen.