Seit Ausbruch der Corona-Pandemie Anfang 2020 wird immer wieder der Begriff Herdenimmunität in den Raum geworfen. Doch was bedeutet er eigentlich? Und ab wann spricht man von Herdenimmunität?

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Am 31. Dezember 2019 kamen besorgniserregende Nachrichten aus der zentralchinesischen Millionenmetropole Wuhan. Die dortigen Gesundheitsbehörden meldeten den Ausbruch einer neuen Lungenentzündung, die durch einen unbekannten Erreger ausgelöst werde.

 

Am 11. Februar 2020 gab die Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Infektionskrankheit den Namen Covid-19. Seitdem geistert auch der Begriff Herdenimmunität durch den Raum.

Wir erklären, was damit gemeint ist, ab wann man von einer Herdenimmunität spricht und das sie im Fall von Covid-19 eher unrealistisch ist.

Was ist Herdenimmunität?

Herdenimmunität – auch Herdenschutz oder Herdeneffekt genannt – meint in der Epidemiologie (also dem medizinischen Forschungsbereich, der sich mit Entstehung, Verbreitung, Bekämpfung und den sozialen Folgen von Epidemien und Massenerkrankungen beschäftigt) folgendes: Ein bestimmte Anzahl von Menschen innerhalb einer Bevölkerung (die Herde) ist durch eine durchgemachte Infektion oder Impfung immun.

Dies führt dazu, dass auch nicht-immune Menschen einen relativen Schutz vor einer ansteckenden Krankheit haben – also eine Herdenimmunität erreicht ist.

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Wie funktioniert der Infektionsschutz?

Je größer der Anteil der Immunisierten in der Bevölkerung ist, desto weniger hoch ist auch die Wahrscheinlichkeit einer Infektion, weil Infektionsketten unterbrochen werden. Der Erreger kann sich folglich nicht mehr so leicht ausbreiten: Er findet kaum noch einen Menschen, den er befallen und dazu nutzen kann, sich zu vermehren.

Infektionsketten reißen in der Folge schnell wieder ab oder entstehen erst gar nicht. Dies schützt auch Personen, die nicht immun sind, da die krankmachenden Keime sie nicht erreichen.

Wie hoch muss die Immunitätsquote sein?

Das Robert Koch-Institut hatte im vergangenen Jahr noch damit gerechnet, dass mit einer Impfquote von 90 Prozent Geimpften unter den Über-60-Jährigen und 85 bis 95 Prozent Geimpften unter den 12- bis 59-Jährigen eine Herdenimmunität erreicht sein könne. Doch die Omikron-Variante hat diese Vorstellungen obsolet gemacht.

Die Bundesregierung hat die Messlatte für eine Herdenimmunität gegen Corona inzwischen deutlich nach oben gelegt. „Unser Ziel muss es sein, zu einer Quote von 95 Prozent vor allem bei den gefährdeten Gruppen zu kommen“, hatte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Sabine Dittmar (SPD) im Januar erklärt.

„Man hat am Anfang gedacht, dass eine Quote von 70 Prozent für die Herdenimmunität ausreicht. Das allerdings reicht, wie wir jetzt wissen, vor dem Hintergrund der zahlreichen Mutationen nicht aus“, so Dittmar.

Was meint Hintergrundimmunität?

Forscher gehen mittlerweile davon aus, dass eine Herdenimmunität, bei der das Virus gar nicht mehr zirkulieren kann, mit den bisher zugelassenen Impfstoffen womöglich gar nicht zu erreichen ist. Der Grund: Die auch in Deutschland dominante Omikron-Variante ist so hochinfektiös, dass selbst Geimpfte das Virus noch verbreiten können.

Statt von einer vollständigen Herdenimmunität spricht man deshalb von einer Hintergrundimmunität, die vor schweren Verläufen schützt.

Ist eine Herdenimmunität noch nötig?

Nach Aussage des US-Epidemiologen Anthony Fauci ist eine klassische Herdenimmunität weder möglich noch notwendig.

Die durch Erkrankungen erreichte Hintergrundimmunität würde gemeinsam mit Impfstoffen, antiviralen Medikamenten und sogenannten monoklonalen Antikörpern ausreichen, um trotz der weiteren Verbreitung der Viren zur „Normalität zurückzukehren“, schreibt der Direktor des US-National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) mit anderen Experten im aktuellen „Journal of Infectious Diseases“.

Wie ist der aktuelle Stand der Impfungen?

Inzwischen haben sehr viele Menschen in Deutschland eine Covid-19-Erkrankung oder eine Infektion mit Sars-CoV-2 durchgemacht.

Nach Angaben des RKI haben 76 Prozent der Bevölkerung eine vollständige Grundimmunisierung durch Impfung erhalten und fast 60 Prozent eine Auffrischimpfung (Booster).

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