Die Abfallwirtschaftsgesellschaft verteilt seit einer Woche rote Karten bei unzureichender Mülltrennung – und lässt zahlreiche Biotonnen ungeleert.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Rems-Murr-Kreis - Zwei Wochen lang hat die Abfallwirtschaftsgesellschaft des Rems-Murr-Kreises (AWRM) aufgeklärt und bei Kontrollen Kulanz walten lassen – seit Montag vergangener Woche aber macht sie ernst: „Unsauber“ befüllte Biotonnen werden nicht mehr geleert. Nicht wenige der braunen Behälter blieben nach Abfuhrterminen in Fellbach, Waiblingen, Backnang oder Schorndorf komplett befüllt am Straßenrand stehen, die AWRM spricht von einem Anteil von rund zehn Prozent. Das ist bei Betroffenen nicht nur auf Verständnis gestoßen.

 

Kontrolleure mit Detektor und wachen Augen

Schon seit drei Wochen werden einzelne Biomüll-Abfuhrtouren an verschiedenen Stellen des Kreises von einem zusätzlichen Mann begleitet. Dieser ist mit einem Metalldetektor und wachen Augen auf der Spur nach Dingen, die nicht in die braune Tonne gehören. Während bei Funden, die aus Kunststoff, Glas oder anderen anorganischen Materialien bestanden, über einen Zeitraum von 14 Tagen lediglich gelbe Karten mit aufklärenden Texten an die Tonnen gehängt wurden, hat die unzureichende Mülltrennung nun Konsequenzen: Die rote Karte signalisiert, dass der Inhalt er Tonne so nicht mehr mitgenommen wird. Auf Touren mit normalerweise 900 bis 950 Leerungen sei es durchaus vorgekommen, dass mehr als 100 Tonnen stehen blieben, teilt die AWRM auf Nachfrage mit.

Probleme in der Vergärungsanlage

Der Grund für die Aktion, die man nicht etwa als Bestrafung, sondern als Aufklärungskampagne verstanden wissen will, ist laut der Abfallwirtschaftsgesellschaft eine nachlassende Disziplin bei der häuslichen Mülltrennung. Das habe negative Folgen für das Recyceln. Vor allem Kunststoffe bereiteten bei der Verwertung des Biomülls in der Vergärungsanlage in Backnang-Neuschöntal Probleme, sagt der Geschäftsführer der AWRM, Gerald Balthasar. Dort werden die organischen Abfälle in Biogas und Kompost verwandelt.

Störstoffe müssen aufwendig aussortiert werden

Doch damit am Ende tatsächlich Qualitätserde herauskommt, müssen „Störstoffe“ vor dem Kompostierungsprozess aufwendig aussortiert werden. Die Kriterien dafür seien in der jüngeren Vergangenheit noch einmal verschärft worden, sagt Balthasar: In einem Liter Kompost werde lediglich ein Foliengehalt von zehn Quadratzentimetern akzeptiert – eine Fläche nicht viel größer als eine Briefmarke.

Bei den Kontrollen sind durchaus kuriose Dinge entdeckt worden: Staubsaugerbeutel, mineralisches Katzenstreu, auch ein Pfefferspray wurde mal untergemengt. In vielen Fällen sei es aber wohl Gedankenlosigkeit, wenn Kunststoffe oder andere nicht kompostierbare Verpackungsstoffe mit in den Biomüll gerieten. Aber: „Auch die Folienverpackung einer verdorbenen Gurke hat im Biomüll nun mal nichts zu suchen“, sagt Balthasar, der gleichwohl betont: „Die Mehrheit der Haushalte im Rems-Murr-Kreis trennt gut und gewissenhaft.“

Die Zeche zahlt letztlich die Allgemeinheit

Dennoch verursache eine Minderheit Probleme, die man aufzeigen wolle. Denn aus den gut 37 000 Tonnen Biomüll, die im vergangenen Jahr im Landkreis anfielen, mussten rund 1200 Tonnen Fremdstoffe aufwendig aussortiert werden. Weitere etwa 5000 Tonnen an potenzieller Erde – und damit entsprechende Erlöse – entgehen den Müllverwertern, weil sie mit aussortiert werden. Balthasar nennt es im Fischerjargon den Beifang.

Die Zeche dafür müsse letztlich die Allgemeinheit bezahlen, sagt Balthasar, denn höhere Kosten und sinkende Erlöse führten unweigerlich zu steigenden Müllgebühren. Das aber wolle man lieber vermeiden, indem den Einzelnen die Konsequenzen unzureichenden Mülltrennens vor Augen geführt werde.

Das freilich kommt nicht bei jedem sofort an. Nachdem die ersten Tonnen ungeleert stehen geblieben waren, habe es durchaus auch wütende Anrufe gegeben, räumt Balthasar ein. Deshalb würden Verstöße von den Kontrolleuren auch mit Fotos belegt, die man digital bei Bedarf entsprechend zuordnen könne. Balthasar: „Das erhöht dann die Einsicht enorm.“

Aktion geht noch bis 18. September

Die Aktion, die der Müllmanager mit einer mobilen Geschwindigkeitskontrolle der Polizei vergleicht, soll noch bis zum 18. September fortgesetzt werden. Bis dahin sollen die Kontrolleure im Kreisgebiet gut rumgekommen sein und „Müllsünder“ genügend aufgerüttelt haben.

Und was passiert mit den ungeleerten Tonnen? Den Haushalten werde natürlich die Möglichkeit eingeräumt, die Fremdstoffe selbst zu entfernen. Wer das nicht machen will, könne an allen gängigen Verkaufsstellen eine Banderole für eine Extraleerung erwerben, die je nach Tonnengröße zum Preis von 8 bis 14 Euro zu haben sei. Wichtig dabei nur: Die Tonne muss dann bei einem Restmüll-Termin bereitgestellt werden.

Weitere Informationen zur Biomülltrennung findet man hier.

Auch „Biotüten“ bekommen der Kompostieranlage nicht

Biokunststoff
Im Handel werden auch sogenannte Biokunststofftüten angeboten. Die Vorsilbe „bio“ hat laut der Erklärung des Umweltbundesamtes zwei Bedeutungen: Einmal kann sie für biobasiert stehen, also für Kunststoffe, die ganz oder nur zum Teil aus Biomasse hergestellt sind, zum Beispiel aus Mais oder Zuckerrohr. Biologisch abbaubare Tüten sind hingegen aus Kunststoffen, die sich unter bestimmten Bedingungen selbst zersetzen. Kompostierbar bedeutet, dass sich die Tüten durch Mikroorganismen oder Pilze weitgehend zersetzen lassen. Solche Tüten, die mit einem Keimlingssymbol gekennzeichnete sind, vereinen beide Merkmale. Sie sind grundsätzlich für Bioabfallsammlungen zugelassen – aber dennoch nicht erwünscht.

Problem
Für das Kompostierwerk des Kreises in Backnang-Neuschöntal sind die biologisch abbaubaren Plastiktüten im Grunde genauso schlecht wie herkömmliche. Denn auch sie müssen aufwendig aussortiert werden. Der Grund sind unterschiedliche Zersetzungsdauern. Während sich „kompostierbare“ Plastiktüten laut EU-Norm erst nach zwölf Wochen zersetzt haben müssen, wird der Kompost in der Anlage bereits innerhalb von vier Wochen gewonnen. Außerdem zerfallen die Tüten nicht in wertvollen Humus, sondern lediglich zu Wasser und Kohlendioxid. Sogar das Umweltbundesamt empfiehlt, diese Tüten nicht zu kompostieren – auch nicht auf dem eigenen Gartenkompost, wo sie möglicherweise mehr Zeit bekämen –, sondern sie im Restmüll zu sammeln und thermisch zu verwerten.