Mit einem Notfall-Plan wird die Bio- und Restmüll-Abfuhr im Landkreis Böblingen sichergestellt. Die Hygienekonzepte wirken, sie bieten aber bei hohen Infektionszahlen keine Garantie gegen Ausfälle. Zu Besuch auf dem Wertstoffhof Waldenbuch/Steinenbronn.

Waldenbuch/Steinenbronn - Mitte November wurde es knapp: Auf den Müllfahrzeugen des Abfallwirtschaftsbetriebs im Landkreis Böblingen herrschte akute Personalnot. Von den insgesamt 100 Fahrern und Ladern waren 20 an Corona erkrankt oder in Quarantäne. „Hinter uns liegen schwierige Wochen. Wir haben uns wirklich auf sehr dünnem Eis bewegt“, erzählt der Erste Werkleiter Martin Wuttke beim Vor-Ort-Termin auf dem Wertstoffhof Waldenbuch/Steinenbronn. Beide Kommunen sind an die Böblinger Abfallwirtschaft angeschlossen.

 

Eine Pressemitteilung hatte die Einwohner der Schönbuchgemeinden vergangene Woche in Sorge versetzt. Der Landkreis stimmte die betroffenen Haushalte in dem Schreiben schon einmal darauf ein, dass im Ernstfall auf die Leerung der Papiertonnen verzichtet werden muss. Inzwischen hat sich die Situation zwar wieder entspannt, doch man bleibt wachsam. „Wir haben eine Strategie entwickelt, mit der wir die Entsorgung in allen Bereichen sicherstellen können“, betont Martin Wuttke. Doch wie sieht sie aus, wo liegen die Probleme, und welchen Beitrag müssen die Bürger leisten?

Mit welchen Maßnahmen werden die Mitarbeiter geschützt?

Die Teams an den unterschiedlichen Standorten der Müllabfuhr, des Containerdienstes und des Bereichs Alttextilien arbeiten streng voneinander getrennt. „Es ist uns gelungen, die Begegnungen deutlich zu reduzieren‘“, erzählt Thomas Koch, der zweite Werkleiter des Abfallwirtschaftsbetriebs. Außerdem wurden die Anfangszeiten entzerrt. Die Besatzungen der Müllfahrzeuge schützen sich gegenseitig mit Masken. Alle zehn Minuten müssen die Fenster zum Lüften geöffnet werden. Auf gemeinsame Pausen wird verzichtet. Außerdem werden die Fahrzeuge täglich desinfiziert.

Wie sieht der Notfall-Plan aus?

„Wir wollen keine Panik verbreiten, sondern die Bevölkerung rechtzeitig auf mögliche Einschränkungen vorbereiten“, sagt Martin Wuttke. Folgendes Vorgehen ist geplant: Absolute Priorität haben die Restmüll- und Biomüllabfuhren. Wenn nicht mehr genügend Personal zur Verfügung steht, wird deshalb zunächst auf die Leerung der Papiertonnen verzichtet. „Das ist hygienisch völlig unbedenklich“, erklärt der Experte. Das Papier müsse dann etwas länger zu Hause gelagert werden. Außerdem bestehe die Möglichkeit, es auf den Wertstoffhöfen abzugeben. Reicht das nicht aus, werden zusätzlich die Alttextilcontainer geschlossen. Insgesamt 31 Wertstoffhöfe mit rund 160 Mitarbeitern gibt es im Landkreis Böblingen. Beim Lockdown im Frühjahr waren sie hoffnungslos überlaufen.

Wie ist die aktuelle Situation?

„Die Lage ist mit der ersten Corona-Welle nicht zu vergleichen“, stellt Martin Wuttke fest. Damals waren viele Betriebe geschlossen, aber die Baumärkte hatten geöffnet. Viele Menschen nutzten die freie Zeit, um auszumisten oder zu renovieren. Der Zugang zu den Wertstoffhöfen musste begrenzt werden, was zu langen Schlangen und reichlich Ärger führte. „Ich würde es trotzdem wieder so machen“, betont Wuttke. Im Moment seien solche Maßnahmen aber nicht nötig. Seine Bilanz lautet: „Die Lage ist entspannt, und es besteht kein Anlass für neue Regelungen.“

Auch der Teamleiter des Wertstoffhofs Waldenbuch/Steinenbronn, Dumitru Caldaras, sieht derzeit keine Probleme: „Die Besucher halten sich an die Maskenpflicht. Auch unsere Mitarbeiter kommen bei kühleren Temperaturen jetzt damit besser zurecht. Insgesamt läuft der Betrieb ganz normal.“

Gibt es in der Pandemie mehr wilden Müll?

Für illegale Müllablagerungen in den Kommunen ist der Bauhof zuständig. Außerhalb der Gemeinden übernimmt der Böblinger Abfallwirtschaftsbetrieb die Entsorgung. Einen sprunghaften Anstieg durch die Corona-Situation beobachten die Experten nicht. Allerdings zeigt die Kurve auch ohne Pandemie seit einigen Jahren steil nach oben. „Wir sammeln pro Jahr rund 500 Tonnen an wildem Müll ein“, berichtet Koch. Vor zehn Jahren seien es noch 350 Tonnen gewesen. Über die Hintergründe kann Martin Wuttke nur rätseln: „Verstehen können wir das nicht. Jeder private Haushalt und jede Firma hat ihre Müllbehälter. Wertstoffe wie Verpackungen, Holz, Metalle und Elektrogeräte können kostenlos auf den Wertstoffhöfen abgegeben werden.“

Wie hoch sind die Kosten, die dadurch entstehen?

Das Einsammeln und Entsorgen von wildem Müll kostet den Abfallwirtschaftsbetrieb – und damit die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises – rund 100 000 Euro zusätzlich pro Jahr. Besonders auffällig ist eine Zunahme beim Gewerbemüll. 200 Autoreifen auf einem Waldparkplatz oder eine Ladung Bauschutt in der Landschaft gehören zu den jüngsten „Entdeckungen. Was die Pandemie betrifft, so beobachten die Müllwerker eine deutliche Zunahme an Einwegverpackungen durch To-go-Angebote und Mund-Nasen-Schutzmasken, die verloren gehen oder weggeworfen werden.

Welchen Beitrag kann jeder Einzelne leisten?

„Der Bürger muss mitspielen“, sagt Martin Wuttke. Er setzt auf das Verständnis der Menschen für die außergewöhnlichen Umstände, unter denen auch der Abfallwirtschaftsbetrieb derzeit arbeitet. Es sei wichtig, dass die aktuellen Maßnahmen weiterhin von allen gemeinsam getragen werden. Wenn sich jeder daran halte, könne der gute Service weiterhin geboten werden, und man komme um weitere Einschränkungen hoffentlich herum.