Kommt es im Dieselskandal zu einem Prozess, droht dem ehemaligen VW-Chef eine lange Haftstrafe. Anlegeranwälte begrüßen die Anklage.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Stuttgart - Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen Martin Winterkorn, den einstigen Chef des weltgrößten Autobauers Volkswagen, erhoben. Das teilte die Behörde am Montag mit. Neben Winterkorn, der VW 2015 nach Bekanntwerden des Dieselbetrugs verlassen musste, richtet sich die Anklage gegen vier weitere Führungskräfte. Die Ankläger werfen Winterkorn unter anderem schweren Betrug und Untreue vor. Obwohl er vom 25. Mai 2014 an von der Schummelsoftware gewusst habe, hätte er die Behörden nicht informiert, so die Ankläger. Zudem habe er den Verkauf von Fahrzeugen, die mit der Schummelsoftware ausgestattet waren, nicht gestoppt.

 

Es ist die erste Anklage, die in Deutschland wegen des Dieselskandals gegen Automanager erhoben wird. Bislang galt die US-Justiz als Tempomacher bei der Aufarbeitung des Abgasskandals. Dort sind bislang die Ingenieure James Liang und Oliver Schmidt zu Haftstrafen verurteilt worden.

Gericht muss über die Anklage entscheiden

Auch in den USA wird Winterkorn zwar per Haftbefehl gesucht. Aber da Deutschland ihn nicht in die USA ausliefert, folgt daraus nichts. Nach Ansicht eines Stuttgarter Strafverteidigers, dessen Kanzlei auch für VW tätig ist, wird es mit der Anklage in Deutschland aber eng für Winterkorn.

Zwar muss das Landgericht Braunschweig nun erst noch entscheiden, ob es die Anklage überhaupt zulässt. Dies sei aber nur in ganz seltenen Fällen nicht der Fall. „Wenn ein Gericht eine Anklage aber zulässt, ist es wahrscheinlich, dass es auch zu einer Verurteilung kommt“, sagte der Jurist unserer Zeitung. „Vor allem bei einem öffentlichkeitswirksamen Fall wie diesem wird es sich das Gericht sehr genau überlegen, ob es die Anklage zulässt oder nicht“, so der Jurist. Winterkorn drohen dann hohe Strafen: „Bei Betrug in besonders schweren Fällen droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis hin zu 10 Jahren.“ Bei den weiteren vier Angeklagten handelt es sich nach Informationen unserer Zeitung um Manager aus der Aggregateentwicklung.

VW lehnt eine Stellungnahme ab

Der Tatzeitraum erstreckt sich auf die Zeit zwischen dem 15. November 2006 und dem 22. September 2015, die individuellen Tatzeiten der Angeschuldigten seien unterschiedlich lang. Dies kommt dem Tübinger Anlegeranwalt Andreas Tilp zugute, der in einem Musterverfahren geschädigte VW-Anleger vertritt. „Wir können nun noch besser darlegen, warum Volkswagen bereits seit Juni 2008 für die Verluste der Anleger haften muss.“

Der VW-Konzern hatte im September 2015 nach Ermittlungen von US-Behörden eingeräumt, weltweit in rund elf Millionen Dieselfahrzeugen eine illegale Software eingesetzt zu haben. Diese drückte den Schadstoffausstoß bei Emissionstests, damit er niedriger erschien.

Volkswagen lehnte am Montag eine Stellungnahme mit der Begründung ab, der Konzern sei nicht Teil des Verfahrens.