2015 kam der VW-Dieselskandal ans Licht der Öffentlichkeit. Fast zwei Jahre später würde manch VW-Manager das düstere Kapitel wohl gern abhaken. Doch weit gefehlt.

Stuttgart - Mitten in die Aufarbeitung des VW-Abgas-Skandals auf der Hauptversammlung platzt die Nachricht über ein mögliches juristisches Nachspiel für VW-Konzernchef Matthias Müller: Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat einem Medienbericht zufolge Ermittlungen gegen den Manager aufgenommen.

 

Es geht um den Verdacht der Marktmanipulation, wie die „Wirtschaftswoche“ berichtete. Allerdings bezieht sich der Vorwurf auf Müllers Tätigkeit als Vorstand der VW-Dachgesellschaft Porsche SE. Gleichzeitig warfen Aktionäre dem VW-Konzern auf der Hauptversammlung am Mittwoch mangelnde Transparenz vor: Der Autobauer lehnt einen ausführlichen Bericht zu Ermittlungsergebnissen der Anwaltskanzlei Jones Day in der Diesel-Affäre weiter ab. Bei Aktionären stieß dies auf deutliche Kritik.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte, dass es Anzeigen der Finanzaufsicht Bafin gegen drei Manager wegen des Verdachts der Marktmanipulation gebe. Zu der Frage, ob inzwischen auch ermittelt werde, wollte er sich nicht äußern. Bei der Porsche SE hieß es, man habe keine Kenntnis von den Ermittlungen. Dem Bericht zufolge wird auch gegen VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch und den früheren VW-Konzernchef Martin Winterkorn ermittelt. Gegen diese beiden laufen bereits Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig.

Aufklärungswille geht Aktionären nicht weit genug

2015 deckten US-Behörden auf, dass Volkswagen in den USA die Abgasmessung von Dieselfahrzeugen manipuliert hat. Danach brach der Börsenkurs ein. Im Kern geht es um die Frage, ob die Firmenchefs rechtzeitig über die Probleme informiert haben. Volkswagen hat für die Kosten des Dieselskandals insgesamt bereits 22,6 Milliarden Euro verbucht.

Pötsch sagte den versammelten Aktionären: „Mir ist bewusst, dass sich einige von Ihnen eine noch weitergehende Transparenz wünschen.“ Er betonte zu den Erkenntnissen der von VW beauftragten US-Anwaltskanzlei: „Einen schriftlichen Abschlussbericht von Jones Day gibt es nicht und wird es auch nicht geben.“ Über die gemeinsam mit dem US-Justizministerium veröffentlichte Faktensammlung („Statement of Facts“) hinaus werde es keinen gesonderten Bericht geben. Müller sagte, VW habe für Anwälte und anwaltliche Berater bisher einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag ausgegeben.

Vielen Aktionären geht der Aufklärungswille von VW nicht weit genug. „Dass die Ergebnisse immer noch unter Verschluss sind, lässt vermuten, dass sie VW nicht gefallen“, sagte Andreas Thomae, Fondsmanager der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka Invest, die auch Musterkläger im Musterverfahren von VW-Aktionären ist. „Ihr Verweis auf das „Statement of Facts“ ist inhaltlich unzureichend und nahezu beleidigend“, kritisierte Christian Strenger, Experte für ordnungsgemäße Unternehmensführung.

Europas größter Autobauer hat wieder Fahrt aufgenommen

Pötsch begründete das Vorgehen mit rechtlichen Risiken. Das Unternehmen stehe in der Verpflichtung, sich „nicht in Widerspruch zu den im „Statement of Facts“ angegebenen Fakten“ zu äußern. Der Konzern wolle daher keine zusätzlichen Ergebnisse veröffentlichen. „Alles andere wäre für Volkswagen unvertretbar riskant“, sagte Pötsch. „Wir als Vorstand und Aufsichtsrat von Volkswagen müssen alles tun, um weitere Schäden vom Unternehmen abzuwenden.“ Volkswagen-Betriebsratschef Bernd Osterloh sagte mit Blick auf die Vorstände: „Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es nichts, was Organmitglieder belastet.“

Inzwischen hat Europas größter Autobauer wieder deutlich Fahrt aufgenommen: Im ersten Quartal verdiente der Konzern vor allem dank starker Geschäfte in Westeuropa deutlich mehr, unter dem Strich blieben 3,4 Milliarden Euro Gewinn in der Kasse - ein Plus von fast 44 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Umsatz stieg im ersten Quartal um 10,3 Prozent auf 56,2 Milliarden Euro.

Weltweit hat der Konzern inzwischen knapp die Hälfte der betroffenen Motoren umgerüstet. Insgesamt seien es bislang 4,7 Millionen Fahrzeuge, sagte Müller. Weltweit sind rund 11 Millionen Fahrzeuge der VW-Gruppe betroffen, davon 2,6 Millionen in Deutschland. Er kündigte an, dass VW im laufenden Jahr besser abschneiden wolle als im Vorjahr. Rund 60 Modelle sollten 2017 auf den Markt kommen. „Auch deshalb sind wir trotz aller Herausforderungen zuversichtlich, dass 2017 noch besser wird als 2016“, sagte er.

Vor der Halle forderten Demonstranten sofortige Aufklärung, die Verantwortlichen für den Skandal müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Pötsch betonte, VW habe aus der Krise gelernt: Aufsichtsrat und Vorstand wollten die Aufklärung „entschlossen vorantreiben“.