Ist das Abitur in manchen Bundesländern besonders hart und mehr „wert“ als in anderen? Die Debatte gibt es seit Jahrzehnten. Die Länder gehen nun einen Schritt in Richtung mehr Vergleichbarkeit.

Die Bundesländer wollen das Abitur in Deutschland vergleichbarer machen. Die Kultusminister der Länder beschlossen dafür am Donnerstag in Berlin eine Reform der „Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe“. Die Vereinbarung gibt es seit 1972 und sie wurde bereits mehrfach angepasst. Um die Abitur-Prüfungen geht es bei der Neuregelung nicht, sondern um die sogenannte Qualifikationsphase davor.

 

Erstmals wurden für diese zweijährige Phase bundesweite Vorgaben zur Anzahl und Gewichtung von Klausuren aufgestellt. Außerdem wird die mögliche Zahl der Leistungskurse begrenzt und eine einheitliche Vorgabe zur Anzahl der zu belegenden Kurse insgesamt festgelegt. Offiziell bekannt gegeben werden sollen die Pläne am Freitag bei einer Pressekonferenz der Kultusministerkonferenz (KMK).

Die Ausgangslage 

Die Länder hatten im Herbst 2020 eine neue „Ländervereinbarung über die gemeinsame Grundstruktur des Schulwesens“ beschlossen und darin festgelegt, die Rahmenbedingungen fürs Abitur stärker anzugleichen. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2017 eine bessere Vergleichbarkeit der Abitur-Noten gefordert, damit Studienbewerber mit einer schlechteren Note nicht benachteiligt werden, weil die Bewertungsmaßstäbe in ihrem Bundesland vielleicht härter waren als bei Mitbewerbern mit besserer Note aus einem Bundesland, wo das Abi möglicherweise einfacher war.

Große Spannbreite bei Abschlüssen

Die Spannbreite bei den Abschlussnoten ist im Bundesländervergleich sehr groß: 2022 schafften etwa in Thüringen laut der KMK-Abiturnotenstatistik 46 Prozent ein Einser-Abi (1,0-1,9), in Schleswig-Holstein waren es nur 25 Prozent. Die anderen Länder lagen dazwischen. Die Aussagekraft dieser Zahlen darüber, wie schwer oder leicht das jeweilige Abitur ist, ist zwar begrenzt, da viele Faktoren die Abschlussnote beeinflussen, aber in der Debatte spielen die Zahlen immer wieder eine Rolle.

Die Pläne der KMK 

Nur ein Drittel der Abiturnote errechnet sich aus den Prüfungsergebnissen. Zu zwei Dritteln gehen die Leistungen aus der Qualifikationsphase in die Abschlussnote ein. Diesen Teil wollen die Ländern nun stärker vereinheitlichen:

- Angehende Abiturienten sollen künftig überall nur noch maximal drei Leistungskurse („Fächer auf erhöhtem Anforderungsniveau“) belegen können. Bisher sind theoretisch bis zu vier möglich. Die meisten Länder haben bereits jetzt nur zwei oder drei festgelegt. Mit der Neuregelung würde das für die Zukunft bundesweit festgeschrieben. Bei zwei Leistungskursen sollen diese fünf Stunden pro Woche unterrichtet werden, bei drei Kursen können es auch vier Stunden sein.

- Überall sollen künftig in den vier Halbjahren der Qualifikationsphase vor dem Abitur 40 Kurse verpflichtend belegt werden. 36 davon sollen in der Regel in die Abschlussbewertung einfließen. Momentan kann das jedes Bundesland anders handhaben und 32 bis 40 Kurse in die Gesamtberechnung einfließen lassen.

- Erstmals gibt es eine einheitliche Vorgabe für die Anzahl und Gewichtung von Klausuren: In den Leistungskursen sollen bundesweit pro Halbjahr ein bis zwei Klausuren geschrieben werden. Im vierten Halbjahr kann eine Klausur geschrieben werden, muss aber nicht. Werden zwei Klausuren geschrieben, gehen sie zu 50 Prozent in die Halbjahresnote ein, bei einer Klausur sind es 30 Prozent.

- Auch in den Grundkursen, wenn es sich um Prüfungsfächer sowie Deutsch, Mathe und eine Fremdsprache handelt, werden ein bis zwei Klausuren pro Halbjahr geschrieben, im vierten Halbjahr gibt es auch hier eine Kann-Bestimmung. Und wie bei den Leistungskursen fließen bei zwei Klausuren diese zu 50 Prozent in die Halbjahresnote ein, bei einer Klausur sind es 30 Prozent.

- Die Naturwissenschaften Biologie, Chemie und Physik werden, wenn sie als Grundkurs belegt werden, einheitlich drei Stunden pro Woche unterrichtet, bisher waren hier auch zwei Stunden möglich.

Meidinger spricht von einem „Trippelschrittchen“

Gelten sollen die Regelungen spätestens für Schülerinnen und Schüler, die 2027 in die sogenannte Einführungsphase eintreten und 2030 ihr Abi machen.

Der Deutsche Philologenverband, der Lehrkräfte an Gymnasien und Sekundarschulen vertritt, begrüßte die Angleichungen. „Wir sind froh, wenn die Kultusministerkonferenz den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts von 2017 nun erfüllt und für mehr Vergleichbarkeit beim Abitur sorgt“, sagte die Vorsitzende Susanne Lin-Klitzing. Es sei noch nicht alles, aber viel von dem erreicht worden, wofür man seit langem eintrete.

Zurückhaltender äußerte sich der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger. Er sprach von einem „Trippelschrittchen“. Von einer echten Vergleichbarkeit sei man noch eine weite Wegstrecke entfernt. Es verwies auf weiter bestehende Unterschiede etwas bei den Abituraufgaben.