Der Hasenwirt in Uhlbach ist verwaist: Waltraud und Josef Stritzelberger, die Wirtsleute, gehen nach 28 Jahren und zehn Monaten in den Ruhestand.

STUTTGART - Das 30-Jährige wollten Josef und Waltraud Stritzelberger nicht mehr voll machen. Kein Jubiläums-Tusch mit viel Trara zum Finale, es war ihnen einfach nicht danach. Sie finden, 28 Jahre und zehn Monate, auf den Tag genau, als Hasenwirte in Uhlbach, das sei jetzt auch genug. Ohne großes Aufhebens ist der Abschied zum Ende Mai natürlich doch nicht abgegangen. Jeder, alle Stammgäste und ganz Uhlbach, wollte noch mal hier einkehren und sich zum letzten Mal die kulinarischen Genüsse des Hauses gönnen.

 

„Wir hatten bis zum letzten Tag, am Sonntag, die volle Speisekarte geboten“, sagt Stritzelberger. Hirnsuppe, Maultaschen, Kalbskutteln in Lembergersoße, Reh, Hirsch und Frischling, Zander und jede Menge Spargel. Jetzt seien Küche und Keller bis auf gerade mal ein halbes Dutzend Flaschen Rotwein leer gefuttert und getrunken. Unter vielen Ausrufen des Bedauerns: „So schade, so schade“, hörten Stritzelbergers ständig. Und die Hasen auf den Festerbrettern, symbolhafter Nippes, würden wohl am liebsten die Löffel hängen lassen.

Der Hasen wurde 1987 zum Hasenwirt

Zum 1. August 1987 haben Stritzelbergers den Hasen in Uhlbach übernommen und ihn auf Anraten des damaligen Verkehrsdirektors Peer-Uli Faerber in „Zum Hasenwirt“ umgetauft. Ein Lokal, in dem man sich vom ersten Moment an wohlfühlt, grundsolide und holzgetäfelt, traumhaft in diesem Wengerter-Ort gelegen und mit einer Terrasse, auf der wilder Wein Schatten spendet. Denn eine renommierte Adresse für gehobene schwäbische Küche, eine gastronomische Institution sogar, war der Hasen auch vorher schon. Mehr als 25 Jahre lang geführt von Siegfried und Edeltraud Münzmay aus der Familie von Wilhelm Merkle, der 1877 als erster Besitzer des Wengerterhauses eingetragen ist. 1919 eröffneten die Großeltern Münzmay hier die Weinstube Hasen. „Die haben hier im Keller ihren eigenen Wein ausgebaut“, erzählt Stritzelberger. Und seine Frau berichtet, dass sie Edeltraud Münzmay versprechen musste, nichts zu ändern: Vor allem nicht den Gebrauch weißer Tischwäsche. „Des tät ich nie wieder“, stöhnt sie, „so viel G’schäft.“

Ernst Messerschmid, Heino und Peter Maffay waren hier

„Es ist der alte Hasen noch, das neue Wirtspaar lebe hoch!“, schrieben fünf Herren aus dem Stuttgarter Rathaus kurze Zeit später ins Gästebuch. Es ist das Who is who von Stuttgart und weit darüber hinaus, denn die Prominenz gab sich hier die Klinke in die Hand. Astronaut Ernst Messerschmid hätte gern die Maultaschen mit ins Weltall genommen, Udo Jürgens, der hier seine geliebten Kutteln bekommen hat, sagt Merci, Jürgens Klinsmann wollte so gut Fußballspielen wie Stritzelberger kocht, Wieland Backes ist genauso begeistert wie die Schauspieler Günther Schramm und Georg Thomalla, die Sänger Erika Köth, Siegfried Jerusalem, Heino, Ivan Rebroff, Peter Maffay und die Scorpions oder Politiker von OB Manfred Rommel bis zum kroatischen Staatspräsidenten und einem Minister aus China auf Einladung von Ministers Christoph Palmer.

„Ich hätt’ jeden Tag ein Kapitel zu einem Buch schreiben können“, versichert Waltraud Stritzelberger. Sicher eine hochinteressante Anekdotensammlung. Denn Mercedes-Chef und Stammgast Werner Niefer wollte Kunden, die sich in Stuttgart ihre S-Klasse abholten, das Schwabenland auch kulinarisch von seiner besten Seite zeigen. „Wir hatten täglich bis zu acht Tische mit Mercedes-Kunden besetzt“, erinnern sich die Wirtsleute.

Den Umgang mit Prominenz war Josef Stritzelberger, Bauernsohn von der Alb und ursprünglich gelernter Bäcker und Konditor, von seiner Zeit als Koch bei Fedor Radmann gewohnt. Denn Radmann betrieb neben der Fernsehturm-Gastronomie auch das Restaurant im Festspielhaus von Bayreuth. „Der Tenor René Kollo war mein bester Freund“, lacht Stritzelberger.

Auf dem Weindorf sind die Stritzelbergers noch

Strengere Steuergesetze machten den Spesen-Essen der Industrie ein Ende. „Wir haben es sehr gut überbrückt“, kann Josef Stritzelberger versichern. „Denn wir haben immer auch die Gäste aus der Nachbarschaft und die Senioren und Rentner gepflegt. Sie bekommen von allen Gerichten auch kleinere Portionen. Und das haben sie uns gedankt.“

„Ich schaff’ gern, aber irgendwann ist Schluss“, sagt Waltraud Stritzelberger. Sie sei jetzt 65, ihr Mann werde 70, da wolle man noch das Leben genießen. Zum Beispiel einmal mit der Straßenbahn durch ganz Stuttgart fahren. „Aber ein bissle G’schäft brauchen wir noch“, kommt dann prompt hinterher. Und darum wird der Wirt, von der ersten Stunde an beim Weindorf dabei, auch in diesem Jahr nicht fehlen. Und bei den Immobilienmessen in München und Cannes mit den Handy-Maultaschen wieder lange Warteschlangen vor den Stuttgartstand locken.

Die Mitarbeiter wie der seit 25 Jahren treue und hochgelobte Koch Rainer Schmid sind versorgt, das Haus wird verkauft. Ein Gastronom, der nahtlos weiter macht, wäre Stritzelbergers am liebsten. „Wir gehen nicht mit Wehmut“, versichern beide. „Sondern mit Stolz auf eine gute Gastronomie.“