Drei Jahre lang präsentierte Thomas Roth als „Tagesthemen“-Anchorman das tägliche Weltgeschehen. Über seinen Abschiedsgruß „Kommen Sie gut durch die Nacht“ haben sich viele lustig gemacht. Aber jedenfalls fühlte sich der Zuschauer bei ihm gut aufgehoben. Nun nimmt Thomas Roth Abschied.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Hamburg - „Kommen Sie gut durch die Nacht!“ Das war sein Schlusswort, und es war typisch für ihn: nicht das Übliche, nichts Standardisiertes, dazu fürsorglich und mit persönlichem Touch. Angeblich, das hat er mal in einer Talkshow verraten, geht der Spruch auf ein Erlebnis in New York zurück, wo er fünf Jahre lang das ARD-Studio leitete. Bei einem Besuch eines seiner Lieblingsplätze, Strawberry Fields im Central Park, habe ein Musiker mit der Gitarre „Whatever gets you thru the night, it’s alright“ von John Lennon gespielt – das habe ihn auf die Idee gebracht, sich so zu verabschieden.

 

Der unkonventionelle Abschiedsgruß brachte ihm im September 2013, als er den Job als Anchorman der „Tagesthemen“ in der Nachfolge von Tom Buhrow antrat, gleich ein paar Kommentare in den Medienspalten der Zeitungen ein. Damit hatte er eine Duftmarke gesetzt. Der erfahrene Fernsehmann war zuvor Auslandskorrespondent in Johannesburg, wiederholt Studioleiter in Moskau, das Gesicht der ARD in Washington und zwischendurch auch noch Chefredakteur und Leiter des ARD-Hauptstadtstudios gewesen. Mit seiner Moderatorenrolle musste der profilierteste Nachrichtenmensch der ARD darum erst warm werden.

Sein Credo lautet: Nachrichten sind Schwarzbrot

Das ist ihm dann freilich gut gelungen: Locker, entspannt, vor allem aber sachlich, das war sein Stil, nur manchmal erlaubte sich der gebürtige Heilbronner, der Anfang der achtziger Jahre beim damaligen Süddeutschen Rundfunk seine journalistische Laufbahn begonnen hatte, eine leise Verschmitztheit. Aus Nachrichtensendungen Unterhaltungsshows zu machen, davon hielt Thomas Roth nicht viel. Nachrichten sind Schwarzbrot, lautete sein Credo. „Information muss für uns zuerst Rüstzeug für die Bürger sein“, sagte er einmal.

Während also Claus Kleber bei der Konkurrenz im Zweiten allzu oft verschwurbelte, ins Alltag-Philosophische abdriftende Anchorman-Attitüden beim Anmoderieren an den Tag legt, bewies Thomas Roth stets sein Vermögen, komplexe, unübersichtliche Sachlagen zu ordnen, zu veranschaulichen, zuschauerfreundlich herunterzuschrauben, meist ohne bei der Vereinfachung den Rahmen des Zulässigen zu sprengen. Roth lotste das Publikum sicher durch jedes noch so wütend wogende Nachrichtenmeer. Auch bei seinen Interviews ließ er die wunden Punkte nie aus und stellte sich mit einer oder auch mal zwei Nachfragen in den Weg, wenn die Politprofis ihre rhetorischen Haken schlugen.

Tom Buhrow war stets der aufgeregte Duracell-Hase, Thomas Roth der Erklärbär

Kompetenz, Glaubwürdigkeit, Souveränität: Sein Silberhaar, sein Schnäuzer dienten als passende physiognomische Entsprechung. Eine große Ruhe strahlte dieser Old-School-Vertreter im zunehmend von Emotionalisierung geprägten Nachrichtenbusiness aus, ganz im Gegensatz zu seinem Vorgänger Tom Buhrow, der ja irgendwie dauererregt-jovial daher kam. „Buhrow war der Duracell-Hase, Roth ist der Erklärbär“, schrieb die „Süddeutsche“ einmal.

Am Schluss, so konnte man den Eindruck gewinnen, hat es sich der „Erklärbar“ vielleicht ein wenig zu gemütlich gemacht. Womöglich hat er sich einen Hauch zu viel von der „journalistischen Routine“, für die ihn der NDR-Intendant Lutz Marmor jetzt zum Übergang in den Ruhestand nochmals lobte, durchgehen lassen.

Ende Oktober tritt Roths Nachfolger an: Ingo Zamperoni

Schon beim Antritt des „Ersten Moderators“ der „Tagesthemen“, einen Titel, den er sich mit Caren Miosga teilte, galt es als ausgemacht, dass die zeitweilige „erste Aushilfskraft“ Ingo Zamperoni 2016 von Roth den Stab übernehmen würde. 2013 war der Deutsch-Italiener mit damals 39 Jahren noch zu jung und wurde als USA-Korrespondent in die Warteschleife geschickt, bis er im April dieses Jahres dann offiziell als Roth-Nachfolger verkündet wurde. Am 24. Oktober tritt Zamperoni in der Sendung erstmals an.

Roths Elder-Statesman-Look wird dann eingetauscht gegen gereifte Jugendlichkeit, Frische und Emotionalität. Der dunkelblaue Alt-Herren-Anzug, den der für seine falsche Betonungen immer mal wieder gescholtene Nachrichtenprofi oft trug, mutete vor der hochmodernen digitalen Bilderwand ja immer ein bisschen anachronistisch an. Es ist also offensichtlich, dass mit Roths letzter „Tagesthemen“-Moderation an diesem Sonntag im ehrwürdigen ARD-Studio in Hamburg eine Zeitenwende stattfinden wird.

ARD, „Tagesthemen“, 2. Oktober 2016, 22.45