Er war 24 Jahre lang Kreischef in Ludwigsburg – und hat Außergewöhnliches geleistet. Rainer Haas wird mit einem Festakt verabschiedet – und sogar Gäste aus Israel sind angereist – mit einer emotionalen Botschaft.

Ludwigsburg - Das Lied wird oft bei Verabschiedungen wichtiger Menschen gewählt: „I did it my way“ von Frank Sinatra. Doch für Rainer Haas passt der Song wie für kaum jemand anderen – und so wird es bei der großen Verabschiedung am Freitagabend im Landratsamt auch vorgetragen. Der „König des Landkreises“ wurde Rainer Haas oft genannt. Die Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch (CDU) nennt ihn gar „heimlichen Außenminister von Baden-Württemberg“.

 

Rainer Haas ist der am längsten amtierende Landrat in Baden-Württemberg. Seit 1996 residierte er im Landratsamt – und hat den Kreis weit über dessen Grenzen hinaus bekannt gemacht. Davon zeugen zwei hochrangige Ehrenorden aus Frankreich und Italien – letzteren hat unter anderem der frühere US-Präsident John F. Kennedy erhalten.

Bewegende Botschaft aus Israel

Besonders herausragend ist die von Haas gegründete Partnerschaft mit der Region Oberes Galiläa in Israel – deren Präsident Giora Salz eigens nach Ludwigsburg gereist ist. „Ich stehe hier aufgeregt und stolz“, sagt er auf Englisch, „Rainer Haas, Sie sind ein ehrlicher und ehrenwerter Mann, ein Anführer, der inspiriert. Sie haben die Welt zu einem besseren Platz gemacht.“ Ein anrührender Moment an diesem ohnehin emotionalen Abend. Für Verständigung, gegen Antisemitismus und Engstirnigkeit, dafür hat sich Rainer Haas in 24 Jahren stets eingesetzt. „Der Weltoffene mit viel Landkreishaftung“, so bezeichnet ihn Rainer Gessler, Fraktionschef der Freien Wähler im Kreistag.

Mutig, in alle Richtungen kommunikativ, hat er Visionen voran getrieben und Brücken gebaut – und dabei stets kommunal gedacht. Etwa als es gelang, das Jobcenter von der staatlichen Arbeitsagentur in kommunale Hände zu überführen. „Attempto – ich wage es!“ Diesen Leitspruch des Grafen Eberhard im Bart hat Rainer Haas früher gerne in Reden voran gestellt. „Da wussten wir immer: Jetzt kommt was Wichtiges“, sagt der Regierungspräsident Wolfgang Reimer, ein Duzfreund von Rainer Haas. Die beiden kennen sich schon seit vielen Jahren. Etwa als es galt, einen neuen Forstdirektor für Ludwigsburg zu finden und Reimer noch im Landwirtschaftsministerium an führender Stelle tätig war. „Wir hatten einen Bewerber, aber der Landrat einen anderen“, erzählt Reimer, „wir haben uns dann kooperativ auf einen Dritten verständigt.“

Ein Kommunalpolitiker mit Machtinstinkt

Denn das hat Rainer Haas auch ausgezeichnet: Durchsetzungsfähigkeit. Das bekamen Kreisräte, Bürgermeister und Ministeriale gleichermaßen zu spüren. Auch davon zeugt eine Anekdote aus dem Jahr 2018, als der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) im Bietigheimer Berufsschulzentrum zu Besuch war – und Haas versehentlich nicht eingeladen war. Als der erste Mann im Staat eintraf, stand Haas trotzdem da – und erntete Applaus.

Machtinstinkt hat Haas schon zu Beginn seiner Amtszeit benötigt – denn als er sein Amt 1996 antrat, fand er einen Zettel vor – der auf den größten Müllskandal im Land hinwies. Der hochgelobte Ausbau der bundesweiten Vorzeige-Deponie Schwieberdingen war finanziell aus dem Ruder gelaufen, Müllgebühren und Kreisgebühren explodierten, Bürger protestierten zu Tausenden, Fernsehsender bauten ihre Kameras auf – Haas musste Krisenmanagement betreiben. Nach 24 Jahren sind die Kreisfinanzen geordnet. „Es waren gute Jahre für den Kreis und die Städte und Gemeinden“, sagt daher auch Steffen Bühler, als Besigheimer Bürgermeister Sprecher aller Rathauschefs.

Ein Mann für kommunale Lösungen

Für fast jedes Problem hat er eine kommunalpolitische Lösung gefunden – und Mehrheiten im Kreistag. „Einem solchen Landrat schlägt man doch keinen Wunsch ab, egal was das an Kreisumlage bedeutet“, sagt Steffen Bühler schmunzelnd – wohl wissend, dass jedes Jahr hart um jeden Euro gerungen wurde. Doch Rainer Haas war präsent in den Kommunen, hat fast jeden Bürgermeister zu Beginn seiner Amtszeit begrüßt und ihn auch wieder in den Ruhestand verabschiedet. Besonders stolz war er am höchsten Feiertag im Landkreis, dem Markgröninger Schäferlauf, zu dem er mit Zylinder auf einer Pferdekutsche einmarschieren durfte. Einmal Landvogt oder Graf sein – das gefiel dem lebensfrohen Kommunalpolitiker, der nicht ganz frei von Eitelkeit war, auch darauf wurde hingewiesen.

Der Landrat zitiert Voltaire

Und was sagt Rainer Haas selbst? Der wählt ein passendes Bonmot: „Gott verzeihe Ihnen, dass Sie mich so viel gelobt haben, und verzeihe mir, dass ich es so gerne gehört habe.“ Es ist viel passiert, seit Rainer Haas 1995 mit nur einer Stimme Mehrheit gewählt wurde. Zuvor war der Jurist Vize-Landrat im Rems-Murr-Kreis, Verwaltungsrichter und in Ministerien tätig gewesen. Doch die Aufgabe in Ludwigsburg hat er mit viel Herzblut ausgefüllt. Haas zitiert Voltaire: „Man muss den Garten bestellen.“ Das war schon vor 24 Jahren sein Motto. Haas lobt seine engsten Mitarbeiter, von der Sekretärin bis zum Fahrer. Und wünscht den Kreisräten und seinem Nachfolger Dietmar Allgaier viel Glück: „Haben Sie Mut zu Entscheidungen, die Sie für richtig halten.“

Vielleicht zieht der scheidende Kreischef für den Ruhestand ja sogar von seinem Wohnort Leonberg in den Landkreis. Der Besigheimer Schultes Steffen Bühler regt das in seiner Rede an: „Wir würden uns über einen wohlhabenden neuen Kreisbürger mit hoher Steuerkraft freuen. Unser Landkreis ist ja, wie kürzlich zu lesen war, besonderes seniorenfreundlich.“