„Trümmermädchen“, der Abschlussfilm von Oliver Kracht, bekommt reichlich Vorschusslorbeeren. Bei der Berlinale hat das Drehbuch bereits einen Preis gewonnen. Die Thematik ist spannend.

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Ludwigsburg - Es war eine aufwühlende und aufregende Zeit. 1946, der Krieg ist vorbei, Deutschland liegt am Boden. Aufhelfen vor allem die Frauen. In diesem Setting spielt der Film „Trümmermädchen“, die Diplomarbeit des Filmakademie-Studenten Oliver Kracht, der an der Ludwigsburger Hochschule im Albrecht-Ade-Studio gedreht wird.

 

Die junge Charlotte (Laura Balzer) ist schwanger, aber ihr geliebter Kriegsheimkehrer Ludwig will weder sie noch sein Kind. Um ihn für sich zu gewinnen und der drohenden Schande zu entgehen, schreibt sie sich für den „Fräuleinkurs“ der Schauspielerin Gloria Deven (Valery Tscheplanowa) ein, über den man auf der Straße sagt, dass man dort lerne, wie man jeden Mann bekommt und an sich bindet. Doch Gloria ist nicht daran interessiert, die im Krieg untergegangene Koketterie wiederzubeleben. Stattdessen erweckt sie in ihren Schülerinnen die Sehnsucht nach etwas, das ihnen lange verwehrt wurde: Freiheit.

Die Gleichberechtigung in frühen Zeiten

Die Nachkriegszeit sei so etwas wie die Wiege des Feminismus, sagt die Hauptdarstellerin Valery Tscheplanowa. Die deutschen Frauen hätten sich damals auch emanzipiert, weil ihnen nichts anders übrig geblieben sei. Oliver Kracht zeigt in seinem Film das Spannungsfeld, in dem sich die Frauen damals bewegten: etwas aufbauen, aber gleichzeitig alte Muster bedienen müssen.

„Um dieses Thema kommt man heutzutage gar nicht herum“, sagt Kracht, Jahrgang 1981, und seit 2011 an der Filmakademie. Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern sei ein gesellschaftliches Problem, an dem „viel zu lange nichts verändert“ wurde. Kracht sagt, er sei „persönlich betroffen“. Über seine Großeltern habe er viel über den Nationalsozialismus erfahren und auch mitbekommen, welche Probleme bis heute nachwirkten.

Ein Film mit einer gewissen „Lässigkeit“

Wie Kracht die Thematik in das historische Umfeld setze, habe sie im „positiven Sinne“ erstaunt, sagt die Leiterin der Akademie für Darstellende Kunst (ADK), Elisabeth Schweeger. Es sei kaum zu glauben, dass ein junger Mann Frauen in diesem Maße begreifen könne. Schweeger stand dem Filmstudenten in zeitgeschichtlichen und politischen Fragen zur Seite, als er das Drehbuch schrieb. Zwei Jahre brauchte Oliver Kracht dafür. Er habe einfach mit seinen Rollenbildern gespielt und diese „ausgemalt“, sagt Kracht.

Valery Tscheplanowa, die nach 13 Jahren auf der Theaterbühne zum ersten Mal in einem Film spielt, bescheinigt dem Drehbuch eine gewisse „Lässigkeit“. Der Film geize nicht mit Farbe, sowohl bei den Kostümen, als auch bei den ausschweifenden Dialogen. Dass er komplett von Studenten gemacht werde, bemerke sie überhaupt nicht.

Das Drehbuch wurde bei der Berlinale ausgezeichnet

Bei der diesjährigen Berlinale wurde das Drehbuch mit dem Thomas-Strittmatter-Preis ausgezeichnet – eine der höchsten deutschen Auszeichnungen für Drehbuchautoren. „Wir brauchen solche Stoffe“, sagt der Leiter der Filmakademie, Thomas Schadt. Krachts Abschlussarbeit sei eine „bemerkenswerte, ungewöhnliche Geschichte“. Häufig fehle es der Branche an Mut, solche Stoffe umzusetzen.

Dass sich Investoren für den Film gefunden haben, verwundert bei so viel Lob nicht. Die Firma Simonsays Pictures produziert „Trümmermädchen“, auch der SWR und die baden-württembergische Filmförderung MFG sind beteiligt. Die Dreharbeiten laufen voraussichtlich noch bis in den Juli, im Februar des kommenden Jahres soll der Film fertig sein.