Erleichterung bei Schülern und Eltern: Trotz Corona finden bundesweit Abitur- und andere Prüfungen zum Schulabschluss statt. Nach parteiübergreifenden Protesten korrigiert Schleswig-Holstein seinen Kurs.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Stuttgart - Am Ende ist es den Kultusministern der sechzehn Länder gelungen, den Sprengsatz zu entschärfen, den Schleswig-Holsteins Schulministerin Karin Prien (CDU) mit ihrer Ankündigung gezündet hat, in diesem Jahr auf Abschlussprüfungen zu verzichten. Am Mittwochabend ist die ganze Aufregung nur noch eine Randnotiz der Geschichte: Ihre Ankündigung ist Makulatur, die Kieler Schulpolitik biegt wieder in den Kurs der Gemeinsamkeit beim Abitur ein – und die Christdemokratin Karin Prien ist in der Telefonkonferenz der Kultusminister von ihren Kollegen einen Kopf kürzer gemacht worden. Mindestens. So heißt es aus Teilnehmerkreisen.

 

Massive Kritik zwingt Kiels Schulministerin zum Einlenken

Jetzt finden also doch landauf und landab Abschlussprüfungen an den Schulen statt – auch im Land zwischen den Meeren ganz oben im Norden. Für Baden-Württemberg heißt das, dass die von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) veröffentlichten Pläne zur Verschiebung der Abschlussprüfungen an allen Schularten um vier Wochen auf die Zeit nach dem 18. Mai Bestand haben wird – es sei denn, die Ausbreitung der Corona-Epidemie erzwingt neue Änderungen.

„Ich freue mich, dass wir uns in einer so schwierigen Situation innerhalb der Ländergemeinschaft auf einen gemeinsamen Beschluss geeinigt haben“, erklärte die Mainzer Schulministerin und derzeitige Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Stefanie Hubig, nach den Beratungen und lobte die Planungssicherheit, die damit jetzt für die Schüler in ganz Deutschland gegeben sei. Nachteile sollten die Absolventen durch die virusbedingte Ausnahmesituation nicht erleiden, und die gegenseitige Anerkennung der Schulabschlüsse in ganz Deutschland sei jetzt auch gesichert, hieß es von der KMK außerdem.

Schulpolitik schrammt knapp an einer föderalen Katastrophe vorbei

Was aus dem Munde der Sozialdemokratin Hubig so bescheiden klingt, ist ein Kraftakt gewesen. Karin Priens Schutzbehauptung, sie sei mit ihrer Äußerung missverstanden worden, fiel vor den Ministerkollegen angesichts der Pressemitteilung und Interviewäußerungen dem Vernehmen nach einhellig durch. Auch Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann – immerhin Parteifreundin Priens und Koordinatorin der CDU-Minister – mochte im Gespräch mit unserer Zeitung nicht verhehlen, „dass ich sehr erschrocken und verärgert war über die von der Kieler Kollegin gefassten Pläne“. Jetzt ist sie erleichtert, dass der Plan beerdigt ist und „alle Prüfungen wie geplant stattfinden werden“.

Alle Kultusminister waren vom Vorpreschen bei der Abi-Absage kalt erwischt worden. Besonders verärgert waren Hessen und Rheinland-Pfalz, wo die Abiturprüfungen unter verschärften Hygienevorschriften bereits begonnen haben. Nur knapp, so heißt es nach der Sitzung hinter vorgehaltener Hand, sei der Bildungsföderalismus an einer Katastrophe vorbeigeschrammt. Bundesweit forderten Lehrerverbände am Mittwoch ein einheitliches Vorgehen, und auch in Baden-Württemberg schlugen die Wogen hoch.

Übereinstimmend sprachen Landesschüler- und Landeselternbeirat gegen einen Verzicht auf die Prüfungen aus. Carsten Rees, Vorsitzender des Landeselternbeirats, nannte das Kieler Vorgehen im Gespräch mit unserer Zeitung eine „gigantische Lumperei“. Falls die Schulschließungen verlängert werden werden müssten, sollten die Kultusminister sich auf kleinere Prüfungsformate verständigen oder über eine Verschiebung der Sommerferien nachdenken, sagte Rees: „Wenn alle Stricke reißen und die Zeit so knapp wird, dass die Prüfungen vor den Sommerferien nicht mehr abgehalten werden können, dann muss man notfalls überlegen, die Sommerferien um zwei bis drei Wochen nach hinten zu schieben.“

Auch auf einen Ernstfall ohne Prüfungen ist Baden-Württemberg notfalls vorbereitet

Ob dieser Plan Chancen hat, im Ernstfall bei Schülern, Lehrern und Ministern viele Anhänger zu finden, darf bezweifelt werden. Aber Stand heute sind Susanne Eisenmann und die KMK einig, dass eine Absage von Prüfungen nicht notwendig ist. „Falls die Lage sich verschärfen sollte, haben wir natürlich auch Szenarien mit dem Verzicht auf Prüfungen im Blick“, sagt Susanne Eisenmann. In diesem Fall benötige man Kriterien, um eine bundesweite Anerkennung zu ermöglichen: „Daran arbeiten wir – falls wir es brauchen.“