Der landwirtschaftliche Obmann in Stuttgart-Plieningen wünscht sich, dass die Stadt künftig vorrangig an Stuttgarter Landwirte verpachtet. Doch nicht alle sind seiner Meinung. Auch Bauern in Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen sind betroffen.

Plieningen - Michael Gehrung scheint es plötzlich gar nicht mehr recht zu sein, dass sein Anliegen Thema bei der jüngsten Bezirksbeiratssitzung geworden ist. Nach der Sitzung äußert sich der Landwirtschaftliche Obmann nur widerwillig zu dem, was er zuvor öffentlich gefordert hat: Stuttgarter Landwirte sollen städtische Flächen künftig bevorzugt pachten können. Der Obmann erklärt schließlich, warum ihm eine Diskussion in der Öffentlichkeit darüber derzeit widerstrebt: Landwirte aus Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen hätten Flächen auf der Plieninger Gemarkung gepachtet. „Wenn da jetzt schon rauskommt, dass ich da eine Veränderung will, gibt es vielleicht Stunk und keine Lösung“, fürchtet Gehrung.

 

Die Bezirksbeiräte wollten in der Sitzung ursprünglich Gehrungs Anliegen mit einem Antrag unterstützen. Sie verpassten allerdings die Frist fürs Einbringen desselben. Deshalb vertagten sie den Antrag auf die Oktobersitzung und formulierten stattdessen eine Anfrage an die Verwaltung. In ihr verlangen sie Aufklärung über die Praxis der Landeshauptstadt bei Verpachtungen von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen aus städtischem Besitz. Denn laut der Plieninger Betreuungsstadträtin Gabriele Munk sei gar nicht klar, nach welchen Kriterien die Stadt solche Flächen vergebe.

Grüne im Gemeinderat stellen Antrag

Die Grünenpolitikerin berichtete den Bezirksbeiräten, dass sie schon lange versuche, herauszufinden, welchen Regeln die Stadt Stuttgart bei der Verpachtung ihrer Flächen folgt. Das Liegenschaftsamt sei dafür zuständig, sagte Munk. Gleichzeitig beschäftige sich die Stuttgarter Wirtschaftsförderung mit der Landwirtschaft in der Landeshauptstadt. „Im Moment gibt es verschiedene Aussagen, wer für was zuständig ist und was gilt. Das ist ziemlich intransparent“, kritisierte sie. Die Grünen im Gemeinderat würden deshalb einen eigenen Antrag in der Sache planen. „Wir wollen von der Verwaltung jetzt genau wissen, wie die Regeln bei den Flächenverpachtungen sind“, sagte Munk.

Michael Gehrung schilderte in der Sitzung, warum Landwirten aus Nachbarkommunen die Pacht Plieninger Flächen verwehrt werden soll. Zum einen würden in Filderstadt oder Leinfelden-Echterdingen bereits Regelungen gelten, an die eigenen Landwirte bevorzugt zu verpachten. Zum anderen seien die Plieninger Landwirte besonders von Flächenverlusten betroffen etwa durch Stuttgart 21. Bis zu zehn Hektar Land könnten die zwölf aktiven Plieninger Landwirtschaftsbetriebe an Fläche gewinnen, wenn die Nicht-Stuttgarter ihre Pacht verlieren würden, rechnet der Obmann vor.

Das landwirtschaftliche Jahr endet zum 1. November

Das lindere den Mangel an Fläche, von dem die Plieninger Landwirte aus Gehrungs Sicht im Stuttgarter Verhältnis besonders betroffen seien. „Viele Plieninger Betriebe sind in der Existenz gefährdet“, klagt er. Politik und Verwaltung sollten aus Gehrungs Sicht eher gestern als morgen eine Lösung für die Flächenpacht präsentieren. Denn viele Verträge würden für zwölf Monate abgeschlossen und mit dem Ende des landwirtschaftlichen Jahrs zum 1. November enden. „Die Stadt sollte dann schauen, dass sie ihre Flächen nach dem Stichtag nur noch an die eigenen Bauern verpachtet“, wünscht er sich.

Der Kreisvorsitzende des Stuttgarter Bauernverbands Klaus Brodbeck hält derweil sowohl Gehrung als auch die Grünen-Stadträtin Munk für falsch informiert. Tatsächlich verpachte die Stadt schon seit dem Beginn des Messebaus 2004 in Stuttgart nur an Stuttgarter Landwirte neu. So sollen Flächenverluste in der Folge von Bauprojekten kompensiert werden. Das bestätigt auch ein Sprecher der Stadt. Eine entsprechende Regelung zu fordern, sei also überflüssig, sagt Brodbeck. Bei den Pachtverträgen mit Landwirten aus Plieninger Nachbarkommunen könne es sich deshalb auch nicht um auf ein Jahr befriste Verhältnisse handeln, die demnächst auslaufen würden, wie Obmann Gehrung glaubt. „Das müssen unbefristete Altregelungen von vor 2004 sein“, vermutet Brodbeck. Die Stadt könnte diese fristgemäß zu jeder Zeit kündigen, sei aber nicht an ein Fixdatum 1. November gebunden. „Das ist ein Irrtum“, meint er.

Ob die Stadt generell Pachtverträge mit auswärtigen Landwirten zugunsten der Stuttgarter Bauern kündigen sollte, beantwortet Brodbeck nicht mit einem uneingeschränkten Ja. „Stellen Sie sich vor, ein Landwirt aus Bernhausen besitzt eine Parzelle in Möhringen und hat dazwischen ein kleines Stück Land auf Stuttgarter Gemarkung gepachtet. Ist es sinnvoll, es ihm wegzunehmen, nur damit ein Stuttgarter mehr hat?“, fragt Brodbeck. Am Ende sollte immer auch der Einzelfall betrachtet werden, fordert er.