Beim Festival „Der Sommer in Stuttgart“ wurde die Komponistin Adriana Hölszky mit einem grandiosen Konzert gefeiert.

Stuttgart - Das Neue-Musik-Festival „Der Sommer in Stuttgart“ ist das heitere Gegenstück, ja zuweilen gar eine Art Satyrspiel zum Eclat-Festival, aber am Sonntagabend ist es in der Musikhochschule mit ziemlich Schwergewichtigem und Hochkomplexem zu Ende gegangen – zumindest auf den ersten Blick. Zu ihrem 65. Geburtstag hatte man der Stuttgarter Komponistin Adriana Hölszky einen Abend gewidmet, der mit einem Stück begann, dem etwas fehlte, und der mit einem anderen endete, bei dem dies ebenfalls der Fall war. „Roses of Shadow“ ist eine Ballettmusik, komponiert 2016 im Auftrag von Martin Schläpfers Düsseldorfer Kompanie, und in der jetzt rein konzertanten Aufführung spürt man, dass die Partitur eigentlich doch nicht ganz alleine sein will. Hölszky wäre aber nicht Hölszky, hätte sie hier nicht ein Werk geschaffen, das auch als absolute Musik ein Universum aufreißt. Über Zitaten aus indianischen Gedichten und Weisheiten entspinnt sich ein stabiler Zustand der Instabilität, ein Netzwerk filigraner motivischer Beziehungen, das ungemein fein ist und gleichzeitig doch von eminenter Kraft. Stephan Mösch, der eine sehr kenntnisreiche und empathische Laudatio hält, zitiert den Schläpfer, der Hölszkys Werk als „gnadenlos“ bezeichnet habe. Die Sopranistin Angelika Luz kommt mit dieser Gnadenlosigkeit allerdings spielend klar; sie steht, virtuos singend, trällernd, rezitierend und mit diversen kleinen Instrumenten im Mund und in den Händen, im Zentrum eines von Bernhard Kontarsky wundervoll präzise geführten Instrumentalensembles.

 

Höhepunkt des Abends ist indes die Uraufführung von Adriana Hölszkys neuem Violinkonzert „Apeiron“: einem spannenden Dialog zwischen dem an Grenzen des Möglichen getriebenen, hochvirtuos spielenden Solisten (Martin Mumelter) und den in einem Kontinuum voller kleiner, unsteter Motive und fein modellierter Gesten agierenden Stuttgarter Kammerorchester (wieder unter Kontarsky). Ein typisches Hölszky-Universum entfaltet sich hier, ein kaum durchdringbares Dickicht von immer wieder aufeinander verweisenden Gedanken, Klängen und Tönen. Gleichzeitig jedoch lässt sich das Werk auch ganz schlicht als zeitgenössisches Zerrbild eines romantischen Virtuosenkonzerts hören. Die wirkungsvollen Floskeln, Schattenrisse von Metren und Satzcharakteren, ja sogar am Ende eine Stretta (hier mit einem ebenso denkwürdigen wie wirkungsvollen Wechsel von Decrescendo zu Crescendo): Das ist alles da, nur fehlen Tonalität, Funktionsharmonik und – damit verbunden – Pathos. Die Zuhörer begrüßten das schillernd-janusköpfige Werk mit Jubel. Folglich mussten die Komponistin und der Geigensolist mehrfach auf die Bühne kommen – und wirkten beide in ihrem hilflosen Beinahe-Scheitern an den Auf- und Abtrittsritualen wie aus der Welt gefallen.