In der Zeit bis Weihnachten öffnen wir jeden Tag ein Türchen zu einem Ort in der Region Stuttgart, der sonst meist verschlossen ist. Am 24. Dezember besichtigen wir das leerstehende Schloss Kaltenstein in Vaihingen/Enz.

Vaihingen/Enz - Hoch über den Dächern von Vaihingen/Enz thront das Schloss Kaltenstein. Seine Geschichte ist wechselvoll – als mächtige Buckelquaderburg im Mittelalter erbaut, diente die Festung als Sitz von Vogten und Landgrafen, als Kaserne, Militärhospital und Arbeitshaus. Im Zweiten Weltkrieg war es ein Gefängnis für politisch Verfolgte, nach dem Krieg Durchgangslager für Flüchtlinge, danach Polizeischule. Von 1949 bis 2014 war es eine Einrichtung des Christlichen Jugenddorfwerks. Hier wohnten heimatlose Jugendliche und junge Flüchtlinge aus aller Welt. Und nun könnte es das nächste Edel-Hotel im Landkreis Ludwigsburg werden.

 

„Das Schloss ist eigentlich eine gute Immobilie für ein Hotel“, sagt Bernd Hornikel von Vermögen und Bau Baden-Württemberg, der Landeseinrichtung, die sich um Immobilien des Landes kümmert. Seine Aufgabe ist es, einen Interessenten für das Schloss zu finden. Was er mit „eigentlich gut“ meint, merkt man, wenn man das Gebäude betritt. Doch dazu später.

Baden-Baden als abschreckendes Beispiel

Lange wollte das Land das Gebäude mit 3400 Quadratmeter Grundfläche komplett verkaufen. Denn eine eigene Nutzung durch das Land, etwa eine Außenstelle eines Ministeriums oder ein Archiv, war nicht vermittelbar – dafür liegt Vaihingen zu weit weg von Stuttgart. Doch auch einen Käufer fand das Land lange nicht. Die Stadt Vaihingen/Enz lehnte eine Kaufoption ab. „Nichtmal für nur einen Euro“, soll es damals in der Verwaltung geheißen haben – zu teuer erschien die Sanierung, zu hoch die Betriebskosten. Im November änderte das Land seine Position zur Immobilie überraschend – nun sollte Kaltenstein nur verpachtet werden, idealerweise an einen Hotelier. Angeblich gibt es bereits Interessenten.

Möglicherweise hat man im zuständigen Finanzministerium das Neue Schloss in Baden-Baden als abschreckendes Beispiel gesehen: Hier kaufte ein kuwaitischer Oligarch die Immobilie von der badischen Markgrafenfamilie ab mit dem Ziel, ein Luxushotel daraus zu machen. Doch fast 15 Jahre nach dem Verkauf sind die Hotelpläne in weiter Ferne, die Baugenehmigung wegen Untätigkeit des Schlossherren ausgelaufen. Die Warnungen mancher Stadträte vor einem „Luftschloss“ – sie scheinen wahr geworden zu sein.

Die Sanierung dürfte einen zweistelligen Millionenbetrag kosten

Das soll in Vaihingen/Enz nicht passieren. Das Land feilt deswegen akribisch an der Ausschreibung, die im ersten Quartal 2018 veröffentlicht werden soll. Den Beteiligten ist klar: die Verhandlungen mit einem Investor werden nicht einfach werden. Wer bezahlt welchen Anteil an einer Komplettsanierung, die geschätzt einen zweistelligen Millionenbetrag verschlingen wird? Und wie können die harten Auflagen bei Brand- und Denkmalschutz eingehalten werden? Ein Knackpunkt ist beispielsweise der Innenhof: Die ansprechende Anlage in historischem Ambiente wäre ein schöner Platz für Veranstaltungen, Konzerte, Hochzeiten. Doch im Falle eines Brandes gäbe es nur einen Ausgang – das Burgtor. Ein No-Go für das Land.

Bei einer exklusiven Führung durch das Gebäude offenbaren sich die Mängel: Während die Außenfassade des Schlosses noch gut in Schuss ist und das Gebäude in markgraflicher Pracht erstrahlt, herrscht im Inneren der Eindruck einer abgewohnten Jugendherberge: kalter Linoleum-Boden, fleckige Teppiche, Raufaser-Tapete mit Striemen an der Wand und Bäder mit grünem Rundfliesen-Mosaik-Muster. Eine der Toiletten verbindet den sanitären Charme der 1960er mit einem romanischen Rundbogen. Man meint, sogar noch den Duft von Desinfektionsmittel und Kamillentee in der Nase zu haben.

Erst 2014 begann die Bestandsaufnahme

Zu lange durfte hier der Mieter, das CJD, ganz nach eigenem Gusto schalten und walten, ohne dass sich der Besitzer, also das Land, eingemischt hätte. So reiht sich im Inneren eine Bau- oder Einrichtungssünde an die nächste (siehe Bildergalerie). Erst nach dem Auszug des CJD im Jahr 2014 begann die große Bestandsaufnahme. Und die fällt umso schlimmer aus, je genauer man hinsieht. Und ein potentieller Investor wird sehr genau hinsehen.

Trotz all dieser Einschränkungen ist man beim Land zuversichtlich, dass es mit dem Hotel auf dem Schloss Kaltenstein klappen könnte. Mehrere Invenstoren hätten bereits Interesse angemeldet, heißt es. Und der Vaihinger Oberbürgermeister Gerd Maisch (Freie Wähler) wäre auch froh, wenn in das leerstehende Wahrzeichen der Stadt endlich wieder Leben einkehrt: „Wir glauben, dass Schloss Kaltenstein eine Zukunft hat.“