Nirgends erreichen Menschen ein so hohes Alter wie in Japan. Die älteste Frau der Welt feierte dort gerade ihren 118. Geburtstag: In der Corona-Krise dient Kane Tanaka als Vorbild für ihr ganzes Land.

Tokio - Der schönste Geburtstag, den sie sich hätte vorstellen können, war es nicht. Das ganze vergangene Jahr über konnte Kane Tanaka ihre Familie kaum treffen. Die Besuchszeiten in ihrem Seniorenheim in der südwestjapanischen Stadt Fukuoka sind angesichts der Pandemie schon lange streng reglementiert. Nur ihre Mitbewohner waren bei ihr. Die waren immerhin gute Partygäste. „Als das Geburtstagskind forderte: „Klatscht für mich!“, hallte es unter lauter Senioren freudigen Beifall.

 

Wie sollte es auch anders sein. Inmitten der Corona-Pandemie, die ihr hässlichstes Gesicht wohl dadurch offenbart, dass sich ihre Ernsthaftigkeit nicht zuletzt in täglich steigenden Todeszahlen misst, wirkt diese alte Dame so frisch, als wäre nichts gewesen. Kane Tanaka ist am vergangenen Wochenende 118 Jahre alt geworden. Schon seit September 2019 ist sie die älteste Person, die je gelebt hat. Vom Coronavirus bleibt sie unbeeindruckt. „Ich bin gesund!“, ist eine ihrer häufigsten Antworten, die sie auf diverse Fragen von Journalisten gibt. Die Pandemie will sie aussitzen.

Kane Tanaka isst gern Schokolade und trinkt Cola

Wer Tanaka fragt, wie sie so alt werden konnte, erhält eine typische Erklärung, die auch andere Senioren sowie Wissenschaftler häufig geben: Das mentale und körperliche Fithalten in Form von täglicher Aktivität. Kane Tanaka macht jeden Tag Rechenübungen und spielt regelmäßig das strategische Brettspiel Reversi. Ein weiteres Ritual, dessen Effekt allerdings strittig ist: Sie isst gern Schokolade und trinkt Cola. Zumindest bringen diese Freuden die Frau zum Lachen, und eine positive Lebenseinstellung gilt wiederum als wichtig für Langlebigkeit.

Damit ist Kane Tanaka im vergangenen Jahr nicht nur durch ihr schieres Überleben zu einem besonderen Vorbild geworden. Auch durch ihr ruhiges Ausharren gibt sie den Ton vor in einem Land, das zunehmend unzufrieden mit seiner Regierung ist. Die vertraut in ihrer Corona-Politik nämlich auf freiwillige Kooperation der Bevölkerung, scharfe Verbote werden auch deshalb kaum erteilt, weil ohne sie weniger Entschädigungszahlungen an Betroffene fließen müssen. Während der Großteil der Bevölkerung den offiziellen Aufrufen zur „Selbstbeherrschung“ geduldig folgt, machten zuletzt insbesondere junge Menschen Schlagzeilen durch Ausscheren.

Japan steckt mitten in der dritten Infektionswelle

Zwar ist Japan im internationalen Vergleich nur relativ leicht von der Pandemie getroffen. Allerdings steckt das Land seit einigen Wochen in seiner dritten Infektionswelle, mit der sich die Fallzahlen in etwa verdoppelt haben. In den Metropolregionen steht das Gesundheitssystem vor seinen Kapazitätsgrenzen.

Kane Tanaka versprüht dagegen reichlich Frohsinn, und dies nicht nur in ihrem Seniorenheim, sondern auch über ihren eigenen Twitteraccount, der vermutlich von einem ihrer Enkel oder Urenkel verwaltet wird. Als Tanaka im September zur ältesten Person der Menschheitsgeschichte wurde, wurde jedenfalls in ihrem Namen getwittert: „Endlich, endlich! Ich bin Japans Nummer eins! Wenn nicht Corona wäre, könnte man sich jetzt treffen. Aber Zeitungen und Internet haben über mich berichtet!“

Nachdem ihr Coca Cola Ende November eine Reihe eigens mit ihrem Namen bedruckter Colaflaschen geschenkt hatte, lud Tanaka ein Fotoshooting hoch. Und zu ihrem Geburtstag ließ sie die Welt wissen: „Es geht mir gut. (…) Es ist Wahnsinn, dass ich noch schreiben kann!“

Die Rekordhalterin will 120 Jahre alt werden

In keinem Land der Welt kommt es so häufig vor, dass Menschen mindestens 100 Jahre alt werden. Rund 79 000 sind es derzeit in Japan, der Bevölkerungsanteil von 0,062 Prozent ist unübertroffen. Gerade die älteren Menschen im Land ernähren sich in der Regel von viel Reis, Gemüse und Fisch und sind körperlich aktiv. So wird diese Gruppe von Superalten auch rasant größer. Vor fünf Jahren waren es noch kaum 60 000, der Zuwachst entspricht einem Jahreswachstum von rund sieben Prozent. Er ist insbesondere in Japan bemerkenswert, da die Bevölkerung insgesamt seit einigen Jahren schrumpft. Einerseits ist dafür die niedrige Geburtenrate verantwortlich, andererseits die in einer alternden Gesellschaft steigenden Sterbezahlen.

Kane Tanaka meldet, dass sie sich an alle Corona-bezogenen Empfehlungen und Appelle der Regierungen halten will. Sterben kann sie ohnehin noch nicht, sagt sie. Ehe die Olympischen Spiele von Tokio im vergangenen März um ein Jahr verschoben wurden, war sie als Fackelträgerin für ihre Heimatregion eingeplant. Mit der Verschiebung auf diesen Sommer will sie – im Rollstuhl geschoben und die Fackel hochhaltend – einen erneuten Versuch antreten. Ob Olympia nun stattfindet oder nicht, hat auf ihr mittelfristiges Lebensziel keine Auswirkungen. Sie sagt: „Ich will 120 Jahre alt werden!“