Jugendliche zieht es offenbar weg von den bekannten Feier-Hotspots der Stadt ins Landschaftsschutzgebiet Scharrenberg. Die Anwohner leiden unter Musik bis tief in die Nacht, Schreien, Müll und einem Gefühl der Unsicherheit.

Schlossplatz, Marienplatz, Feuersee. Überall, wo junge Menschen zusammenkommen und bis in den Morgen hinein feiern, stößt das auf wenig Gegenliebe. Denn Anwohner oder Passanten haben mit den Folgen zu leben: Musik bis tief in die Nacht, Schreie, Müll und ein Gefühl der Unsicherheit. Die Stadt reagiert mit einem Sicherheitskonzept, mit Mobiler Jugendarbeit, mit Polizeipräsenz und allerlei guten Ideen, um dem Problem Herr zu werden. Doch offenbar verlagert sich das Geschehen – und das nicht erst gestern. Aus diesem Grund sind die Anwohner des Schimmelhüttenwegs – einem eigentlich idyllischen Wanderweg im Landschaftsschutzgebiet am Scharrenberg vom Süden nach Degerloch am Haigst verzweifelt.

 

Zwei Jahre Belästigung

„Seit fast zwei Jahren machen uns der immer mehr zunehmende Müll, die Graffiti und vor allem der nächtliche Lärm, die laute Musik und das Gegröle Sorgen“, sagt eine Anwohnerin, die gerne anonym bleiben möchte, weil sie und ihr Mann Racheakte der Jugendlichen fürchten: „Wir finden es sehr bedenklich, dass sich immer mehr Jugendliche von den umliegenden Schulen bei gutem Wetter mittlerweile fast jedes Wochenende dort treffen, die ganze Nacht laut feiern und es dann am nächsten Morgen aussieht wie auf einer Müllhalde.“ Zudem seien die Stützen ihres Carports mehrfach mit Graffiti beschmiert worden, die trotz mehrmaligem Putzen nicht mehr weggingen. Sogar die Mitglieder des Wengerter-Vereins sind inzwischen in Alarmstimmung und haben sich zu einer Krisensitzung verabredet. Denn auch die Trockensteinmauern entlang der Weinberge sind laut der Anwohnerin „mit scheußlichen Graffiti besprüht. Glasscherben und Zigarettenkippen bedecken den ganzen Weg“. Sogar einen Leih-E-Roller im Weinberg habe sie schon entdeckt, der offensichtlich einfach dort hineingeworfen wurde. Dadurch wurde die Drahtanlage eines Weinbergbesitzers beschädigt, die dieser erst wenige Wochen zuvor wieder ausgebessert und neu gespannt hatte.

Das sorgt für mächtig Frust bei den Weinbergbesitzern, denn sie seien inzwischen mehr mit Putzen und Aufräumen der Hinterlassenschaften samt Fäkalien der feiernden Jugendlichen als mit den Arbeiten an ihren Weinreben beschäftigt. „Im Sommer fliegen ihnen beim Mähen die Glasscherben und die Kronkorken nur so um die Ohren, die tief unter dem Gras versteckt sind“, sagt die Anwohnerin, „Dachziegel auf den Wengerterhütten wurden zertrümmert, weil die Jugendlichen ihre Bierflaschen gezielt darauf werfen. Es wurden Türchen von Weinbergbesitzern aufgebrochen und im Weinberg gefeiert“. Außerdem habe man Angst, dass durch die Essensreste und den Müll Ratten angelockt werden.

Zuletzt regierte bei Anwohnern und den Wengertern das Prinzip Hoffnung. Das vorläufige Ende der Pandemie versprach Ruhe. „Denn wir hatten gehofft, dass die Jugendlichen sich andere Treffpunkte suchen und nach der Lockerung der Corona-Regelungen wieder in Clubs oder Cafés feiern.“ Doch diese Hoffnung erwies sich als Illusion. So wie die Erwartung, dass die Polizei die Lage in den Griff bekommen könnte. „Wir und auch unsere Nachbarn rufen nun immer öfter die Polizei. Leider dauert es immer sehr lange, bis die Polizei Zeit hat, eine Streife vorbei zu schicken“, berichtet die Anwohnerin. Und wenn die Beamten schließlich da seien, „rennen die Jugendlichen einfach in den Weinberg“ und kehren zurück, wenn die Luft rein ist: „Trotzdem sind sie am nächsten Tag wieder da und feiern mit ihren Bluetooth-Boxen umso lauter.“

Angst vorm Sommer

Schon jetzt haben die Anwohner des Schimmelhüttenwegs „große Angst vor dem Sommer, wenn die Jugendlichen am Wochenende bei lauter Musik die ganze Nacht lang feiern“. Dann könnten sie trotz Hitze keine Fenster mehr öffnen und gingen montags „total gerädert zur Arbeit“. Da die Ordnungsmacht kaum eine Hilfe darstellt und die bekannten Brennpunkte der Stadt mehr Aufmerksamkeit genießen, haben sich die Anwohner viele Gedanken zur Problemlösung gemacht. Einer davon scheint nicht aussichtslos: „Vielleicht könnte man auch Kontakt zu den Schulen aufnehmen, von denen die Jugendlichen kommen und fragen, ob die Schüler mal zu einer Putzaktion kommen könnten. Dann wird Ihnen vielleicht bewusst, dass man den Müll den man mitbringt auch wieder mit nach Hause nehmen kann.“

Zudem könnte man in Zusammenarbeit mit den Lehrern vielleicht auch das Bewusstsein der jungen Leute schärfen, mutmaßt die Anwohnerin. „Denn es ist ja schon erstaunlich, dass die Jugendlichen sich auf der einen Seite gegen den Klimawandel und für den Umweltschutz engagieren und am Degerlocher Wilhelmsgymnasium für Sprachenaustausch nicht mehr ins Ausland fliegen, aber auf der anderen Seite die Tetrapacks, Schnapsflaschen und Plastikverpackungen einfach in den Weinberg werfen.“ Einem Kleinod der Stadt, wo Füchse, Mäusebussarde, Eidechsen, Blindschleichen und andere geschützte Tierarten leben. „Alle diese Tiere können sich doch an den Glasscherben verletzen, den Plastikmüll versehentlich verschlucken und durch den Lärm in der Brutzeit gestört werden“, sagt die betroffene Anwohnerin und schließt auch das letzte Mittel nicht aus: „Ein Verweilverbot oder ein Alkoholverbot wie am Marienplatz, Schlossplatz oder am Feuersee wäre hier vielleicht eine Lösung.“