Bildungspolitiker wollten die Fusion, doch die angestrebte Einigkeit am KIT, dem Karlsruher Institut für Technologie, scheint ins Stocken zu kommen. Es könnte sein, dass das Präsidium dieses Vorzeigeprojekts bald komplett neu besetzt wird.

Karlsruhe - Zahlreiche Bildungspolitiker wollten die Fusion, doch die angestrebte Einigkeit am KIT, dem Karlsruher Institut für Technologie, scheint ins Stocken zu kommen. Etliche Professoren äußern ihren Unmut, und es könnte sein, dass das Präsidium dieses Vorzeigeprojekts der deutschen Hochschullandschaft bald komplett neu besetzt wird.

 

Im Juli 2009 hatte der Landtag einstimmig das KIT-Gesetz beschlossen, das aus dem Forschungszentrum Karlsruhe und der Universität Karlsruhe das neue KIT machen sollte, eine bisher einzigartige Verbindung aus Großforschung und Hochschule. Die damaligen Bildungsminister in Bund und Land, Annette Schavan und Peter Frankenberg (beide CDU), feierten den lange vorbereiteten „Coup“ damals im Foyer des Auditorium Maximum, dem heutigen „Campus Süd“.

Gut drei Jahre später scheint Ernüchterung eingekehrt zu sein, zumindest bei einem Teil der Professoren, die vor allem „viele neue Strukturen“ über sich ergehen lassen mussten. Neue Gräben brachen auf, als die erste „Elite-Universität“ in Baden-Württemberg im Juni 2012 auf eine weitere Auszeichnung bei der Exzellenz-Initiative verzichten musste.

„Management-Laien leiten einen Riesenladen“

„Das ist die gigantischste Fusion im Wissenschaftsbereich, die es weltweit je gegeben hat“, sagt ein Professor, der ans KIT kam, als es in der Entstehung war. Heute ist er ernüchtert: „Management-Laien“, die Professoren nun mal seien, „leiten einen Riesenladen“. Zwar ist er von der Idee und den Chancen des KIT nach wie vor überzeugt, doch sieht er strukturelle Probleme: „Unglaublich viele neue Gremien“ lähmen seiner Ansicht nach den Prozess. Der anstelle eines Hochschulrats neu geschaffene Aufsichtsrat habe mehrfach für stärkeres „Durchregieren von oben nach unten“ gesorgt. Keine Spitzenuniversität der Welt würde sich derartiges leisten, sagt er. Er sieht gar „die Freiheit der Lehre in Gefahr“.

Anfang November scheint es besonders heftig gebrodelt zu haben – und tut es noch. Bei der jüngsten Aufsichtsratssitzung seien viele Lehrende erstaunt gewesen, „dass die von vielen erhoffte Ablösung des KIT-Präsidenten nicht erfolgt ist“, sagt ein Wissenschaftler einer technischen Fakultät. Seit dem Ausscheiden von Horst Hippler im Juli 2012, der schon Rektor der Universität war und 2009 zu einem von zwei Gründungspräsidenten wurde, ist Eberhard Umbach allein verantwortlich.

Doch im Dezember hat Umbach, der erst mit dem Fusionsprozess an die Spitze des Forschungszentrums kam, nun öffentlich im Senat verlauten lassen, er werde nicht noch einmal antreten. „Man habe ihn dazu gedrängt“, heißt es. Er würde ohnedies nur noch eine verkürzte Amtszeit agieren können, weil er in diesem Jahr 65 wird, sagen andere. Mehr ist offiziell nicht zu erfahren. Im Januar sind die Stellen des Präsidenten und zweier Vizepräsidenten neu ausgeschrieben worden – zu besetzen vom 1. Oktober an. Es hat den Anschein, als ob der Aufsichtsrat auf eine Neubesetzung des Präsidiums dränge.

Die Stelle eines Vizepräsidenten ist seit April 2012 vakant

Wenn am kommenden Montag das Gremium unter Leitung von Renate Schubert, Professorin an der ETH Zürich, und ihres Stellvertreters Andreas Kreimeyer, Vorstandsmitglied der BASF AG in Ludwigshafen, erneut zusammen tritt, wird jedenfalls noch nicht über die Neubesetzung der Stelle eines Vizepräsidenten für Lehre entschieden. Das bestätigt die KIT-Pressestelle. Die Stelle wurde schon im Oktober 2012 ausgeschrieben und ist seit April 2012 vakant. Der zuletzt amtierende Jürgen Becker war offenkundig aufgrund von Reibereien mit dem damaligen Präsidenten Hippler vorzeitig gegangen. Beobachter bemängeln auch, dass Hippler, der als „sehr durchsetzungsstark“ beschrieben wird, schon 2008 kurzerhand die Funktion des Unikanzlers abgeschafft hatte. Der allseits anerkannte Jurist Dieter Ertmann bewarb sich damals weg auf eine Auslandsmission. Seitdem liege einiges im Argen, auch wird von einer extrem hohen Personalfluktuation in der Verwaltung berichtet.

Viele Professoren und Studenten der einstigen Universität sehen sich beim Fusionsprozess „nicht richtig mitgenommen“. Im Vordergrund der Kritik, die freilich nicht öffentlich geäußert wird, steht „die allgemeine Umstrukturierung vom partizipativ-kollegialen System hin zu autokratisch-hierarchischen Abläufen“. Der Verlust der Exzellenz sei da „systemimmanent“, behaupten einige. Andere sagen, das Auftreten im Wettbewerb „sei richtiggehend großkotzig gewesen“.

Die kritischen Stimmen zur Fusion verstummen nicht

Der amtierende Präsident Eberhard Umbach lässt indessen mitteilen, „die rechtliche Einheit, die Fusion zum KIT, sei deutlich schneller erreicht worden als ursprünglich anzunehmen war“. Das vollständige Zusammenwachsen brauche jedoch „einen langen Atem“. Bei großen Niederlagen wie dem Verlust der Exzellenz sei zudem „eine gewisse Unruhe“ verständlich. Doch sei bei vielen Leistungsträgern „ein erhöhtes Engagement für das KIT zu spüren“, heißt es in der Leitungsebene.

Die kritischen Stimmen zur Umsetzung der Fusion bleiben jedoch. Ein Informatiker, der viel an der Neustrukturierung mitarbeitete und dem KIT gegenüber sehr aufgeschlossen ist, räumt ebenfalls „handwerkliche Fehler“ ein. Da sei noch in den Anfangsjahren „viel in kleinen Zirkel entschieden worden“. Das aber habe sich jetzt deutlich gewandelt. Man habe die Augen davor verschlossen „dass zwei völlig unterschiedliche Forschungseinrichtungen zusammen kommen“, sagt ein Wissenschaftler vom Institut für Technikfolgenabschätzung, das von Karlsruhe aus schon seit Jahren den Bundestag berät. Die neu geschaffenen „Überstrukturen“ seien für eine erfolgreiche Integration „einfach zu wenig“, sagt er. Er befürchtet „Stillstand bis Oktober“, dem Zeitpunkt, zu dem dann das neu gewählte Präsidium zusammen tritt.