Auch in Zukunft gilt die erweiterte Mitnahmemöglichkeit von Rädern in Esslinger Bussen. Das gefällt nicht jedem.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Das hatten sich die Esslinger Stadtverwaltung – und wohl auch der Städtische Verkehrsbetrieb Esslingen (SVE) – sicher anders vorgestellt. Denn die Empfehlung an den Ausschuss für Technik und Umwelt, der jüngst über das Thema Fahrradmitnahme zu beraten hatte, war eindeutig: Esslingen solle den im Sommer 2017 begonnenen Pilotversuch zur erweiterten Mitnahme von Fahrrädern in den Esslinger Bussen jetzt endlich beenden. Doch da wollte das Gemeinderatsgremium nicht mitspielen. Aus dem Pilotprojekt machten die Kommunalpolitiker kurzerhand eine Dauerlösung – und schlugen dabei die Verwaltung mit deren eigenen Argumenten.

 

Seit dem 1. Juli 2017 können Radfahrer, die angesichts der topografisch anspruchsvollen Stadtlandschaft an ihre körperlichen Grenzen stoßen, morgens von 8.30 Uhr bis 11.30 Uhr sowie nachmittags von 14 bis 15 Uhr und dann von 17 Uhr an bis zum Betriebsschluss ihr Gefährt in Bussen des Esslinger Stadtverkehrs mitnehmen.

Unterschiedliche Schlüsse

Sehr oft scheint das zwar nicht vorgekommen zu sein. Denn in der städtischen Vorlage heißt es, dass das Ergebnis der Probephase aufgrund der geringen Zahl an Rückmeldungen „nicht sinnvoll ausgewertet werden“ könne. Daraus haben aber die Verwaltung einerseits und die Gemeinderatsfraktionen andererseits ganz unterschiedliche Schlüsse gezogen.

Die Verwaltung argumentierte, dass bei Veränderungen im ÖPNV die Aspekte vieler Interessensgruppen berücksichtigt werden müssten. So gebe es im Esslinger Stadtgebiet überdurchschnittlich viele Schwerbehinderte, die den öffentlichen Nahverkehr nutzten. Auch sei die Zahl der Menschen mit Rollator und von Eltern mit Kinderwagen hoch. Würde der Pilotversuch verlängert, könnte zusätzliches Konfliktpotenzial entstehen.

Maximal zwei Räder pro Bus

Auch der regionale Zusammenhang müsste bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Denn Esslingen bilde mit seinem Pilotprojekt die Ausnahme im gesamten Verkehrsverbund Stuttgart (VVS). Die VVS-Regeln besagen, dass in normalen Buslinien jeweils maximal zwei Fahrräder von montags bis freitags ab 18.30 Uhr und an den Wochenenden und Feiertagen ganztags mitgenommen werden können. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Räder gut verstaut sind und auch bei unerwartetem Bremsen keine Fahrgäste gefährdet werden. Fahrräder werden im VVS nur mitgenommen, wenn im Stehplatzbereich bei der zweiten Bustür Platz ist. Rollstuhlfahrer und Menschen mit Kinderwagen haben Vorrang. Im Zweifel entscheidet der Busfahrer, ob und wie viele Fahrräder mitgenommen werden.

In einem Schreiben an die Stadt Esslingen kurz nach der Einführung des Pilotversuchs habe der VVS die Bedeutung einer einheitlichen Regelung betont und den Esslinger Sonderweg kritisiert. Die Verwaltung teile die Meinung des VVS, zumal das Pilotprojekt in Esslingen ausschließlich im Stadtverkehr gelte, nicht jedoch für die Verbindungen auf den Schurwald, nach Ostfildern und nach Plochingen. Ziel müsse es sein: „Umsteigebeziehungen auch mit dem Fahrrad nutzbar zu machen. der Grundgedanke lautet hier: ein Fahrschein, eine Regelung.“

Ein ungeliebtes Kind?

Doch gegen die Abschaffung der aktuellen Regelung regte sich erheblicher Widerstand. Er habe den Eindruck, der SVE wolle nur ein „ungeliebtes Kind beerdigen“. erklärte der Stadtrat der Grünen, Helmut Müller-Werner. Wenn die Zahlen tatsächlich so gering seien, könne es ja kein Problem sein, die Pilotvariante dauerhaft einzuführen. Denn nennenswerte Probleme habe es in der Pilotphase offensichtlich nicht gegeben. Das räumt sogar die Stadt ein: Die Beschwerden hätten sich „auf ein Minimum reduziert“ heißt es da.

Aber nicht nur die Grünen wunderten sich über den Vorschlag der Stadt. Einerseits, so argumentierten Ratsmitglieder anderer Parteien, wolle Esslingen alles tun, um den Radverkehr in Esslingen zu stärken. Andererseits sei man offensichtlich bereit, bei der Mitnahmemöglichkeit von Fahrrädern sogar noch hinter die in Esslingen bis Juli 2017 geltenden Zeiten zurückzugehen. Denn damals konnten Räder bereits von 18 Uhr an – also eine halbe Stunde früher als in der jetzt geltenden VVS-Regelung – mitgenommen werden. Das sei das falsche Signal an die Esslinger Radfahrer, war sich die Ratsrunde einig.

Zahlreiche spezielle Angebote im VVS

Auch das Argument, dass Esslingen die einzige Ausnahme bei der Mitnahme von Fahrrädern in VVS-Bussen bilde, ließ Helmut Müller-Werner nicht gelten. Zwar gelte die Regelung für den normalen Linienbusverkehr. Aber auch im VVS gebe es zahlreiche Angebote speziell für Radfahrer, für die andere, weitergehende Regelungen gelten.

Im Rems-Murr-Kreis gebe es vier so genannte Fahrrad2go-Buslinien, auf denen ganztägig die Mitnahme von bis zu 10 Rädern auf speziellen Heckträgern oder an Halterungen im Bus möglich sei. Und auch bei den drei Relex-Expressbuslinien sei die kostenlose Mitnahme von maximal zwei Fahrrädern ohne jede zeitliche Einschränkung möglich.

Für eine gute einheitliche Regelung

Deshalb, so die große Mehrheitsmeinung in Esslingen, solle die Stadt bei der bisherigen Mitnahmelösung bleiben. Helmut Müller-Werner formuliert es so: „Wir sind gerne bereit, einer einheitlichen Regelung innerhalb des VVS zuzustimmen. Allerdings müsste diese den nun in Esslingen geltenden Zeiten folgen. Schlechtes muss nicht die Regel sein.“