Feinstaub, überfrierende Nässe, Verkehrschaos: Mit wunderschönen Landschaftsbildern, kombiniert mit frechen Kommentaren, wirbt der Hochschwarzwald um Gäste aus der Stadt. Doch die Ironie der Kampagne gefällt nicht allen Wirten.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Hinterzarten - Tief hängen die Wolken an diesem Morgen im Tal fest. Wolfgang Strauch steht vor seinem Hotel Hochfirst im Lenzkircher Ortsteil Saig (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) und kann den Hausberg, dessen Namen sein Hotel trägt, kaum erkennen. „Nebelsuppe“, sagt Strauch. Ja, die gebe es hier schon manchmal. Aber dass ausgerechnet mit einem solch negativ besetzten Begriff Werbung für einen Urlaub im Hochschwarzwald gemacht werde, darauf wäre er nicht gekommen, sagt der Hotelmanager.

 

Es ist ein paar Tage her, da kam eine junge Frau in sein 18-Zimmer-Hotel und brachte neues Werbematerial der Hochschwarzwald Tourismus Gesellschaft (HTG) vorbei – Gästezeitschriften, Prospekte, Postkarten. „Das waren wunderschöne Fotos“, sagt Strauch. Doch als er die dazugehörige Beschriftung sah, sei ihm sein Lächeln eingefroren: ein weiter Blick über verschneite Schwarzwaldhöhen, dazwischen mit Wolken verhangene Täler – und dazu der Begriff „Nebelsuppe“. „Das ist misslungen“, sagt Strauch.

Anregungen von der Zigarettenindustrie?

Natürlich, die Kampagne sei ironisch gemeint. Das sei ihm nicht entgangen, räumt der 53-Jährige ein. Aber mit der Ironie sei das so eine Sache. Zum Beispiel die Postkarte mit dem eingefrorenen Todtnauer Wasserfall: „Überfrierende Nässe“ hat die HTG dazu gedichtet. Das wecke negative Assoziationen. „Für jeden Gast, der zu uns kommt, sind die Straßenverhältnisse doch ein zentrales Thema.“ Da sei es nicht gerade klug, die ohnehin im Flachland verbreiteten Ängste zu schüren, findet Strauch. „Offenbar hat sich die HTG Anregungen bei der Zigarettenindustrie geholt“, mutmaßt er. Allerdings: Philipp Morris und Co. schreiben ihre Warnhinweise nicht freiwillig auf die Verpackung, sondern auf Geheiß des Gesundheitsministers.

Die Kampagnenmacher in der Zentrale der HTG in Hinterzarten ficht die Kritik nicht an. Zwar habe es noch andere irritierte Anrufe von Gastgebern gegeben, räumt der Sprecher Herbert Kreuz ein, allerdings seien sie bisher die Ausnahme. „Wir haben Begriffe gewählt, zu denen die Menschen in der Stadt eine Affinität haben, und eine bildliche Antwort aus unserer Landschaft dagegengesetzt“, erklärt er. Da avancieren Hasenspuren im Neuschnee zum „Verkehrschaos“, eine Langlaufloipe bei Sankt Märgen wird zur „Autobahn“, und ein malerischer Fernblick über die Schwarzwaldgipfel nebst Alpenpanorama und Sonnenuntergang intoniert den „Winterblues“. „Die meisten finden das eigentlich ganz spannend“, sagt Kreuz.

Im Sommer geht es weiter

Die Gäste im Hotel Hochfirst werden einen großen Teil der Plakat- und Postkartenserie überhaupt nicht zu Gesicht bekommen. „Ich habe das in die Tonne gekloppt“, sagt Strauch, der bis vor sechs Jahren als Beamter bei der Stadtverwaltung in Sankt Augustin im Rheinland tätig war. Vor allem die Karte mit der Aufschrift „Feinstaub“, auf der feine Schneekristalle zu sehen sind, hat ihn geärgert: „Die Karte speziell für Stuttgarter Gäste.“ Er finde es jedenfalls nicht in Ordnung, sich auf diese Art und Weise über die schlechte Luft in der Großstadt lustig zu machen.

Auf Einsicht hofft Strauch bislang vergeblich. Natürlich werde die Kampagne im Sommer fortgesetzt, dann zwar ohne Schnee, dafür mit der gleichen Portion Ironie, verspricht der HTG-Sprecher Kreuz. Die ersten Motive sind schon fertig: Ein Waldweg wird zur „Fußgängerzone“, ein Ameisenhaufen zur „Millionenmetropole“. Strauch fürchtet weitere Plakate zu Hitzewallung, Sonnenstich und Waldbrand.