Der Rapper Shindy aus Bietigheim-Bissingen veröffentlicht ohne Einwilligung einer Mitsängerin seinen neuen Song „Affalterbach“. Der eigentliche Skandal liegt aber ganz woanders, findet unser Kolumnist.

Affalterbach - Die Deutschrap-Szene hat ein turbulentes Wochenende hinter sich. Während soignierte Feuilleton-Redaktionen dem Vorfall keine Meldungszeile schenkten, war bei den einschlägigen Branchenportalen wie hiphop.de oder Noizz Schnappatmung angesagt. Es gab, wie man in den Rap-Kreisen so sagt, ordentlich Beef – also Streit.

 

Was war passiert? Der aus Bietigheim-Bissingen stammende Rapper Shindy, seit 2013 ein stetig aufsteigender Stern am Deutsch-Rap-Firmament, hatte am Freitag einen neuen Song veröffentlicht, die Single „Affalterbach“ aus seinem Album „Drama“. Einen Tag später musste er ihn schon wieder von allen Streamingplattformen entfernen lassen. Shindy, der mit bürgerlichem Namen Michael Schindler heißt, hatte den Titel gegen den Willen der Ko-Künstlerin Shirin David veröffentlicht. Sie singt in dem Song die Hook (Feuilleton: den Refrain). Mit ihrem Song „Gib ihm“ liegt sie derzeit auf Platz sechs der deutschen Single-Charts.

Stuttgart und die Region sind bekannt als Mekka des deutschen Raps. Wir haben die Anfänge des deutschen Hip-Hops im Schwabenland dokumentiert: Hier geht’s zur Multimedia-Reportage „Willkommen in der Mutterstadt“.

Den Song trotzdem zu veröffentlichen sei „menschlich whack“, so David

Hingegen nicht gegeben hat sie Shindy die Einwilligung, ihre Gesangsaufnahmen zu „Affalterbach“ zu verwenden. Es folgte ein großer Shitstorm (Feuilleton: Sturm der Entrüstung) der Shindy-Fans ob des Verhaltens der Künstlerin, Hass-Kommentare und Drohungen inklusive. David äußerte sich am Sonntag dazu: Sie habe Shindy bereits vier Wochen vor dem Release abgesagt. Den Song dann einfach trotzdem zu veröffentlichen, sei „menschlich so whack“, dass sie es gar nicht glauben könne.

Shindy selbst entschuldigte sich auf Instagram bei seinen Fans. Er habe keine Freigabe von der Dame eingeholt, was „sehr unprofessionell und naiv“ gewesen sei.

Zum Schluss war das Video nur noch auf Youtube zu sehen – mit mehr als vier Millionen Klicks, ehe es am Montagnachmittag auch dort gesperrt wurde.

Affalterbach kommt in dem Video gar nicht vor

Kommen wir nun aber zum eigentlichen Skandal des Videos: Obwohl der Song „Affalterbach“ heißt, spielt der kleine Ort am Fuße des Lembergs im Kreis Ludwigsburg quasi überhaupt keine Rolle darin – was bemerkenswert ist, denn Shindys Heimatstadt Bietigheim-Bissingen liegt keine 20 Kilometer entfernt. Textlich geht es hauptsächlich darum, dass Shindy ein sehr, sehr geiler Typ ist. Er unterstreicht diese Aussage, indem er sehr teure Uhren und einen sehr voluminösen Pelzmantel trägt – Puff Daddy und 50 Cent lassen grüßen. Gutaussehende junge Damen mit ebenso voluminösen Lippen, vermutlich Influencerinnen, himmeln ihn dafür im Video an.

Auch die Rapszene feiert Shindy aktuell für seinen neuen Song. Im Video fährt Shindy mit einer Edelkarosse, die in Affalterbach hergestellt wird durch die Gegend, – die wohl einzige Verbindung zum Songtitel. Die jungen Damen finden es sehr reizvoll, dass der auf Statussymbole bedachte Rapper „so fresh and so clean“ durch Affalterbach cruist, also fährt. Außerdem schreibt der Vielgefragte „mit der halben Stadt“ – was in Anbetracht der Einwohnerzahl von Affalterbach aber eher „mit dem halben Dorf“ heißen müsste.

Die Botschaft: Wir habens ja, wir wohnen ja nicht in Stuttgart

Im Video indes sieht man ganz klar, dass er bei Nacht in Stuttgart unterwegs ist! Möglicherweise sogar mit mehr als Tempo 30 auf der Theodor-Heuss-Straße – immerhin muss Shindy seinem Image als Bad Boy in der Szene gerecht werden. Später sieht man ihn, wie er sich in einem Club (vermutlich dem Perkins Park) von einer jungen Dame eine Schubwagenladung Champagnerflaschen bringen lässt.

Das bedarf einer kleinen Interpretation. Die unterschwellige Botschaft von all dem zur Schau gestellten Luxus könnte lauten: Wir haben’s ja. Denn: Wir wohnen nicht in Stuttgart, wo man Unsummen für Miete bezahlen muss. Shindy unterstreicht das in seiner Ode ans Landleben noch einmal, indem er Musikerkollegen aus Bietigheim-Bissingen zitiert: „Komm mit mir ins Abenteuerland.“