Nach der Germanwings-Katastrophe stellt sich die Frage, ob der behandelnde Arzt des Copiloten den Arbeitgeber über die Krankschreibung informieren hätte sollen. Oder müssen? Politiker und Experten streiten darüber, wie weit die ärztliche Schweigepflicht im Einzelfall reichen sollte.

Berlin - Sollte die ärztliche Schweigepflicht für Angehörige sensibler Berufsgruppen gelockert werden? Die Diskussion über diese Frage gewinnt vor dem Hintergrund der Germanwings-Katastrophe an Fahrt. Der CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer forderte eine Lockerung der Schweigepflicht für sensible Berufe: „Piloten müssen zu Ärzten gehen, die vom Arbeitgeber vorgegeben werden. Diese Ärzte müssen gegenüber dem Arbeitgeber und dem Luftfahrtbundesamt von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden sein“, sagte Fischer der „Rheinischen Post“.

 

Der Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek (CDU) schlug eine Expertenkommission vor, die die Frage klären solle, wie mit ärztlichen Diagnosen bei Menschen in besonders verantwortungsvollen Berufen wie Piloten umzugehen sei. Der 27 Jahre alte Copilot des Unglücksfluges 4U 9525 soll seinem Arbeitgeber nach Erkenntnissen der Ermittler eine Erkrankung verheimlicht haben. Für den Tag des Absturzes in Südfrankreich war er krankgeschrieben.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach betonte in der „Bild“-Zeitung, wenn Leib und Leben anderer Menschen gefährdet seien, sei „der Arzt verpflichtet, den Arbeitgeber über die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters zu informieren“. Weiter sagte er: „Dies gilt ganz besonders im Fall psychischer Erkrankungen und einer möglichen Selbstmordgefahr.“

Dem widerspricht Hans-Werner Teichmüller, der Präsident des Deutschen Fliegerarztverbandes: „Dem Arbeitgeber dürfen wir gar nichts mitteilen. Da haben wir gar keine Berechtigung zu“, sagte Teichmüller am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. In diesem Fall hätte der Arzt lediglich das Luftfahrtbundesamt informieren dürfen.

Nach aktueller Rechtsprechung dürfen Ärzte Auskunft geben, wenn sie von der Schweigepflicht entbunden worden sind oder wenn etwa „besonders schwere Verbrechen“ verhindert werden sollen oder eine Gefahr für Leib und Leben besteht (§ 138 und 34 Strafgesetzbuch).