Der Verfassungsschutz stuft die parteiinterne ultrarechte Strömung ab sofort als rechtsextremistisch ein und überwacht sie mit nachrichtendienstlichen Mitteln.

Berlin - Der völkisch-nationalistische „Flügel“ der AfD wird vom Verfassungsschutz ab sofort mit allen nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet. Die beiden Spitzenpolitiker der Parteiströmung, Björn Höcke und Andreas Kalbitz, seien erwiesenermaßen Rechtsextremisten, sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang am Donnerstag in Berlin. „Dies ist eine Warnung an alle Feinde der Demokratie.“

 

Vertreter des „Flügel“ vernetzen sich nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes auch über die Partei hinaus mit der rechtsextremen Szene. Es sei bezeichnend, dass Höcke Beziehungen zu dem vorbestraften Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann hege, so Haldenwang. Dieser habe Politiker als Schädlinge bezeichnet, die man in den „Graben eines antifaschistischen Schutzfalls“ werfen und zuschütten müsse. Haldenwang sagte: „Wir arbeiten hart und entschlossen daran, dass sich Zeiten, in denen Volksfeinde in Gräbgen geworfen und zugeschüttet wurden, niemals wiederholen.“

Vogt: Beobachtung der Gesamtpartei nachvollziehbar.

Politiker aller Parteien begrüßten die Beobachtung des Flügel. Rechtsextremisten von heute versuchten, sich durch ein bürgerliches Auftreten zu tarnen, sagte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Benjamin Strasser, unserer Zeitung. „Trotzdem bleiben Leute wie Björn Höcke und Andreas Kalbitz knallharte Rechtsextreme, die unsere Demokratie bekämpfen wollen“, so Strasser. Er forderte die AfD auf, die Angehörigen des Flügels komplett aus der Partei auszuschließen.

Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Ute Vogt, sagte unserer Zeitung, eine Beobachtung der AfD im Ganzen wäre für sie nachvollziehbar. Auch der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg, erklärte, dieser Teil der AfD stehe außerhalb des demokratischen Grundkonsens. Die Gesamtpartei AfD müsse sich jetzt klar und eindeutig von diesen Mitgliedern lösen. „Tut sie dies nicht, stellen sich weitere Fragen im Hinblick auf die AfD insgesamt.“ Die AfD selbst sagte ein für den Vormittag geplantes Statement der Fraktionsspitze kurzfristig ab. Kalbitz kritisierte die Beobachtung als „sachlich unbegründet und rein politisch motiviert“. Er sagte: „Wenn der politische Gegner gleichzeitig hofft, so einen Spaltpilz in die AfD zu tragen, wird dies keinen Erfolg haben.“

Der Einfluss in der Partei ist groß

Für die Einstufung als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ reicht kein bloßer Verdacht, sondern es muss Gewissheit darüber bestehen, dass es Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gibt. Abgeordnete genießen auch dann besonderen Schutz: was sie im Parlament sagen, darf nicht Teil der Akten werden.

Der „Flügel“ innerhalb der AfD wurde 2015 als Gegenbewegung zur Linie des damaligen Parteichefs Bernd Lucke von Björn Höcke gegründet. Er ist keine Gruppierung, in der man formell Mitglied werden kann. Viele Spitzenpolitiker bekennen sich nicht offen zu der Frage, ob sie zu den Anhängern der Strömung gehören. Obwohl die Gruppe keine Mehrheit in der Partei hat, ist ihr Einfluss groß. Die Parteispitze distanziert sich nicht vom „Flügel“, Kritiker werden bei Vorstandswahlen abgestraft. Versuche einer Abgrenzung mit einem kritischen „Appell der 100“ waren in der Vergangenheit gescheitert. Kurz nach der Thüringen-Wahl erklärte der damalige Vorsitzende Alexander Gauland, die Flügel-Galionsfigur Höcke sei die „Mitte der AfD“.

Kritik wird nicht geduldet

Der Verfassungsschutz hatte vor gut einem Jahr den Flügel und die Junge Alternative als Verdachtsfälle für eine Beobachtung eingestuft und seither geprüft. In seiner fachlichen Erklärung für die jetzt getroffene Entscheidung geht er auch auf die Entwicklung in der Zwischenzeit und auf den gewachsenen innerparteiligen Einfluss ein. Der Einfluss von Kalbitz und Höcke innerhalb der Partei sei gewachsen, jede innerparteiliche Kritik an Positionen des Flügel werde „aggressiv und kompromisslos“ zurückgewiesen. Stattdessen sei die „Durchsetzungskraft und Reichweite“ des Flügels gestiegen, die Bewegung habe sich professionalisiert und organisatorisch weiterentwickelt. Mit geschätzt 7000 Anhängern sieht der Verfassungsschutz ein entscheidendes Mobilisierungspotenzial in der Partei.