In großem Stil sind in etlichen Ländern Handys von Journalisten und anderen ausgespäht worden. Ein Recherchekollektiv kam der Software Pegasus auf die Spur.

Stuttgart - In seiner ganzen Tragweite ist der Skandal noch gar nicht abzuschätzen: Hunderte Journalisten, Aktivisten und Oppositionelle weltweit sind Medienberichten zufolge zum Ziel von Abhöraktionen geworden. Was ein Rechercheverbund aus „Süddeutschen Zeitung“, „Zeit“, NDR, WDR sowie 15 weiteren Redaktionen aus zehn Ländern ans Licht gebracht hat, spielt nicht nur in waschechten Diktaturen, sondern auch in europäischen Demokratien. Geheimdienste und Polizeibehörden sollen die Pegasus genannte Spähsoftware des israelischen Unternehmens NSO Group genutzt haben, um Mobiltelefone anzuzapfen und an sensible Daten zu kommen.

 

Zu den Journalisten, auf deren Handys Spuren erfolgreicher Pegasus-Attacken nachgewiesen wurden, zählen zwei Reporter des regierungskritischen ungarischen Investigativmediums Direkt36. Das Recherchekollektiv geht davon aus, dass die Verantwortung für die Angriffe bei staatlichen Stellen in Ungarn liegt. In Frankreich wurde eine bekannte Reporterin von „Le Monde“ ausgespäht. In diesem Fall soll der Angriff von Marokko ausgegangen sein.

Pegasus geht nur an staatliche Behörden

Pegasus wird als Cyberwaffe eingestuft und gilt als das derzeit leistungsfähigste Spähprogramm für Handys. Es kann infiltrierte Mobiltelefone in Echtzeit ausspähen und die Verschlüsselung von Messenger-Diensten wie WhatsApp oder Signal überwinden. Die NSO Group beteuert, sie liefere ihr Produkt ausschließlich an staatliche Behörden und nur zum Zweck der Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität. Die Firma selbst habe „keinen Zugang zu den Daten der Zielpersonen“ ihrer Kunden.

Grundlage der Arbeit der Recherchegruppe bildete eine Liste mit mehr als 50 000 Telefonnummern, die seit 2016 von Pegasus überwacht worden sein könnten. Die Liste kam laut „Washington Post“ von dem in Paris ansässigen Verein Forbidden Stories und Amnesty International. Laut dem britischen „Guardian“ befinden sich unter den Betroffenen Mitarbeiter der Nachrichtenagenturen AFP, Reuters und AP, der Zeitungen „New York Times“, „Le Monde“, „El País“ und der Sender Al-Dschasira, Radio Free Europe und CNN. Zudem sollen auf der Liste die Nummern von Staatsoberhäuptern und Ministerpräsidenten, Mitgliedern arabischer Königsfamilien, Diplomaten und Geschäftsleuten stehen.

Protest der Journalistenverbände

Zwar wurden keine Nummern deutscher Journalisten entdeckt. Aber der Datensatz, der dem Recherchekollektiv zur Verfügung stand, dürfte nicht alle Pegasus-Zielpersonen umfassen. Journalistenverbände fordern mittlerweile weitere Aufklärung der Affäre. Frank Überall, der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, nannte das Ganze einen „nie da gewesenen Überwachungsskandal“. Geheimdienste und Sicherheitsbehörden müssten Auskunft darüber geben, ob Pegasus auch gegen deutsche Journalisten eingesetzt worden sei. Die Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju), Monique Hofmann, forderte Einschränkungen für den Export von Überwachungstechnologie. Ausspäh-Software dürfe nicht an Staaten geliefert werden, in denen immer wieder Menschenrechte verletzt würden.