Die Bundesregierung erlaubt bisher 182 Hilfskräften der Bundeswehr und der Polizei in Afghanistan die Einreise nach Deutschland, weil diese Racheakte der Taliban zu befürchten haben.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Masar-i-Scharif - Unter politischem und öffentlichem Druck schlägt die Bundesregierung einen großzügigeren Kurs gegenüber den Ortskräften in Afghanistan ein. Sie will nun weiteren 150 Mitarbeitern der Bundeswehr mit ihren Ehefrauen und Kindern die Aufnahme in Deutschland ermöglichen – 16 hatten schon eine Ausreisezusage erhalten. Zusätzliche 16 Zusagen wurden vom Bundesinnenministerium an Helfer der Polizei im Einsatz erteilt.

 

Die Afghanen fürchten Racheakte der Aufständischen, weil sie als Handlanger der Bundeswehr betrachtet werden könnten. Wer seine Bedrohung durch die Taliban glaubhaft dargestellt hat, erhält eine sofortige Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis. Dies gilt formell zuerst befristet, soll aber laut Innenministerium im Prinzip dauerhaft gelten. Vier Helfer seien bereits samt Familie eingereist.

22 Antragsteller gelten als „akut gefährdet“

Der Brigadegeneral Michael Vetter, der im Isaf-Feldlager in Masar-i-Scharif für die lokalen Mitarbeiter der Bundeswehr zuständig ist, sprach von bisher 236 Anträgen. Eine Kommission, bestückt von Bundeswehr, Auswärtigem Amt und Bundesinnenministerium, bewertete die Anträge in drei Kategorien. Demzufolge wurden 22 Männer in der Kategorie eins eingestuft, weil sie als „akut gefährdet“ gelten. 145 Mitarbeiter werden als „latent gefährdet“ angesehen und 69 als „abstrakt gefährdet“.

Ursprünglich sollten nur akut gefährdete Afghanen ein Aufenthaltsrecht in Deutschland erhalten, was Kritik nach sich zog. Zudem beauftragten 44 Ortskräfte aus der Region Kundus den Bremer Rechtsanwalt Karim Popal mit der Wahrnehmung ihrer Interessen, um ihre Aufnahme in der Bundesrepublik eventuell einzuklagen. Wohl auch aus Furcht vor juristischen Auseinandersetzungen wurde der Kreis um die latent bedrohten Kräfte erweitert. Der für die Aufnahme zuständige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) betonte am Dienstag in Berlin: „Es ist selbstverständlich, dass wir alle diejenigen, die uns geholfen haben, nach Deutschland holen.“ Dies sei nur „fair und anständig“.


Es ist allerdings unklar, ob alle Helfer mit einem positiven Bescheid tatsächlich in der Bundesrepublik leben wollen. Mitunter mag ihnen ein Umzug innerhalb Afghanistans und eine finanzielle Entschädigung ausreichen. Großzügiger als zunächst geplant werden daher auch die Abfindungen für entlassene Angestellte bemessen. Außerdem unterstützt die Bundeswehr bei der Suche nach einem neuen Job vor Ort.

Mitte des Jahres hatte die Truppe noch 1260 Afghanen beschäftigt – hinzu kommen 180 Einheimische in Diensten der Polizei und des Auswärtigen Amtes. Fast jeder Zweite soll als Übersetzer tätig gewesen sein. Daneben handelt es sich um Wachleute, Gärtner, Küchenpersonal und Reinigungskräfte. Bei Dolmetschern und Wachmännern hat die Bundeswehr selbst Interesse an einem besonderen Schutz, weil viele dieser Kräfte über wichtige Kenntnisse verfügen – etwa über Informanten oder Sicherheitsvorkehrungen in den Camps.

Die neue Regelung gilt für alle Afghanen, die mindestens bis Juni dieses Jahres für die Bundeswehr in Masar-i-Scharif oder Kundus tätig waren. Wer davor entlassen wurde und ausreisen will, muss sich wie üblich an die deutsche Botschaft in Kabul wenden. Somit gehen auch Mitarbeiter leer aus, die in den geschlossenen Außenposten Talokan oder Faisabad angestellt waren.

Der Isaf-Einsatz endet im Dezember 2014. Im Anschluss will die Bundeswehr nur noch mit bis zu 800 Soldaten in Afghanistan bleiben. Weil wegen des Rückzugs immer weniger Helfer vor Ort benötigt werden, sind weitere Aufenthaltsgenehmigungen für sie sehr wahrscheinlich.