In Afghanistan sind die Taliban nun auch in der Hauptstadt Kabul. Unter größtem Zeitdruck läuft die Evakuierung der dort noch lebenden Deutschen und afghanischer Ortskräfte an. Es ist ein gefährlicher Einsatz, wie die Verteidigungsministerin sagt.

Berlin - Angesichts des Eindringens der Taliban in die afghanische Hauptstadt Kabul beginnt die Bundesregierung umgehend mit der Evakuierung des Personals der deutschen Botschaft. Die ersten Angehörigen würden noch „im Laufe des Tages“ ausgeflogen“, kündigte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Sonntagabend in Berlin an. Außerdem brächen noch in der Nacht Transportflugzeuge der Bundeswehr auf, „um bei den notwendigen Evakuierungsarbeiten zu unterstützen und diese dann auch in den kommenden Tagen durchzuführen“.

 

„Die Machtübernahme der Taliban steht unmittelbar bevor“, sagte Maas. In dieser Situation müsse die Sicherheit der deutschen Staatsangehörigen und der afghanischen Mitarbeiter der vergangenen Jahre „oberste Priorität haben.

Transportflugzeuge vom Typ A400M starten

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) betonte: „Unser Ziel ist es, dass wir - solange es die Möglichkeiten vor Ort erlauben - so viele Menschen wie möglich aus Afghanistan rausbringen werden.“ Am frühen Montagmorgen würden dazu erste Transportflugzeuge vom Typ A400M vom niedersächsischen Fliegerhorst Wunstorf starten. In einem neutralen Drittland außerhalb Afghanistans werde eine Drehscheibe eingerichtet, von dort aus dann eine Luftbrücke nach Kabul aufgebaut. Sie und Maas kündigten an, dass die Geretteten dann von diesem Drittstaat aus mit zivilen Flugzeugen nach Deutschland gebracht würden.

Nach Angaben von Maas wird ein „operatives Kernteam“ der Botschaft in Kabul am militärisch gesicherten Teil des Flughafens bleiben, um die Arbeitsfähigkeit der Botschaft zu erhalten und um die weiteren Evakuierungsmaßnahmen mitbegleiten zu können. Das Botschaftspersonal war bereits im Laufe des Tages zum Flughafen gebracht worden. „Die Kolleginnen und Kollegen sind jetzt dort, und sie sind dort in Sicherheit“, sagte Maas. Der Krisenstab habe bei einer Sitzung am Nachmittag Kontakt gehabt.

„Wir setzen jetzt alles daran, unseren Staatsangehörigen und unseren ehemaligen Ortskräften eine Ausreise in den kommenden Tagen zu ermöglichen“, sagte Maas. „Die Umstände, unter denen das stattfinden kann, sind aber derzeit schwer vorherzusehen.“ Deshalb stehe die Bundesregierung auch in einem engen Austausch mit den USA und anderen internationalen Partnern. „Wir haben uns darauf verständigt, dass wir uns bei den Evakuierungsmaßnahmen in den kommenden Tagen gegenseitig und wechselseitig unterstützen werden.“

Die Bundeswehr wird nach Angaben der Verteidigungsministerin vor allem Fallschirmjäger der Division Schnelle Kräfte (DSK) einsetzen. „Wir sind auf alle Szenarien eingerichtet.“ Es handele sich um eine sehr schwierige Situation für die Menschen vor Ort - „aber auch für die Soldatinnen und Soldaten“. Kramp-Karrenbauer betonte: „Es ist ein gefährlicher Einsatz, in den wir sie jetzt schicken.“

Auch afghanische Ortskräfte, die früher für die Bundeswehr oder Bundesministerien gearbeitet haben oder jetzt noch arbeiten, sollen nach Deutschland gebracht werden. Sie gelten jetzt als besonders gefährdet. Wie viele Maschinen nach Kabul starten werden, sagte Kramp-Karrenbauer nicht. Die Militärmaschinen können 114 Personen transportieren.

Enger Austausch mit den USA

Die Bundesregierung will sich nach früheren Angaben den Einsatz durch ein Mandat des Deutschen Bundestags absegnen lassen. Dies kann wegen der erforderlichen Eile erst zu einem späteren Zeitpunkt geschehen. Diese Möglichkeit ist im Parlamentsbeteiligungsgesetz ausdrücklich vorgesehen. Dort steht: „Einsätze bei Gefahr im Verzug, die keinen Aufschub dulden, bedürfen keiner vorherigen Zustimmung des Bundestages.“ Diese sei aber „unverzüglich nachzuholen“.

Die Bundesregierung will in der Kabinettssitzung am diesem Mittwoch das Mandat für den Einsatz beschließen. Darüber unterrichtete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntagabend die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen telefonisch, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen erfuhr. In der darauffolgenden Woche soll dann der Bundestag darüber beraten und entscheiden. Am 25. August kommt der Bundestag ohnehin zu einer Sondersitzung zusammen, um die Hilfen für die Hochwassergebiete zu beschließen. Dann soll auch der Evakuierungseinsatz auf die Tagesordnung kommen.