Lufthansa übernimmt im neuen Jahr einen wesentlichen Teil der Air Berlin. Nun schickt der Kranich-Konzern auch noch einen seiner besten Manager. Steht eine komplette Übernahme der Berliner Airline bevor?

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Spekulationen über eine weitere Zerschlagung von Air Berlin haben sich mit der überraschenden Ablösung von Vorstandschef Stefan Pichler verschärft. Am 1. Februar 2017 wird der Lufthansa-Topmanager und frühere Germanwings-Chef Thomas Winkelmann die Nachfolge in Berlin antreten. Branchenbeobachter erwarten, dass bald die nächsten Schritte folgen und der Marktführer weitere Flottenteile der schwer angeschlagenen Nummer 2 übernehmen könnte. Als Indiz dafür wird auch die neue Allianz der Lufthansa mit dem Air-Berlin-Großaktionär Etihad gewertet.

 

An der Börse beflügelten diese Aussichten den Kurs der tief abgestürzten Air-Berlin-Aktie. Bisher gibt es aber keine Bestätigung für eine weitere Integration von Air Berlin in die Lufthansa, die auch kartellrechtlich problematisch wäre. Die Flotte von Air Berlin wird sich nach bisherigem Stand bereits auf rund 75 Flieger halbieren, die künftig vor allem Geschäftskunden in Europa transportieren und Zubringerflüge zum Etihad-Drehkreuz in Abu Dhabi erledigen sollen.

Fest steht, dass 38 Flugzeuge von Air Berlin ab Februar 2017 für sechs Jahre per Leasing inklusive Personal für die Lufthansa-Töchter Eurowings und Austrian Airlines starten werden. Weitere 34 Maschinen hat Etihad kürzlich fast mit dem kompletten touristischen Geschäft und allen Mallorca-Flügen übernommen. Die Araber wollen diese Flotte an einen neuen Ferienflieger übergeben, der gemeinsam mit Tuifly entstehen soll, dem Flugunternehmen des Tourismusriesen Tui.

Die Ablösung von Vorstandschef Stefan Pichler kam überraschend

Die neuen Bündnisse am Himmel sorgen seit Monaten für Schlagzeilen und Unruhe bei vielen tausend Beschäftigten der Airlines. Auch bei der Bundesregierung wuchs die Sorge, dass im Wahljahr 2017 weitere Turbulenzen drohen könnten und vor allem Air Berlin noch tiefer in die Krise fliegt. Denn der bisherige Sanierer Pichler, der erst voriges Jahr angetreten war, hat wie seine Vorgänger die Wende nicht geschafft und die meisten Ziele verfehlt.

Die Ablösung Pichlers, die am Sonntag nach einer Sitzung des Aufsichtsrats mitgeteilt wurde, kam dennoch überraschend. Nur zwei Tage zuvor hatten Etihad-Chef James Hogan und Lufthansa-Chef Carsten Spohr eine weitere Zusammenarbeit angekündigt, die zahlreiche Gemeinschaftsflüge ab Januar 2017 zwischen Frankfurt, München und Abu Dhabi sowie nach Südamerika umfasst. Die Kooperation werde auf andere Regionen ausgedehnt, kündigte Spohr an.

Damit rücken Etihad und Lufthansa nach dem Air-Berlin/Eurowings-Geschäft weiter zusammen. Zuvor hatten sich die Konzerne teils hart bekämpft, weil sich die Araber über den Einstieg bei Air Berlin und mit umstrittenen Gemeinschaftsflüge ein Standbein auf dem wichtigen deutschen Markt gesichert hatte. Der Konflikt um die Gemeinschaftsflüge hatte die Gerichte, aber auch die Bundesregierung beschäftigt.

Bei einem Ausstieg des Großaktionärs Etihad wäre 8000 Jobs gefährdet

Denn bei einem Ausstieg von Etihad bei Air Berlin würden die unmittelbare Pleite der deutschen Airline und der Verlust von mehr als 8000 Arbeitsplätzen drohen. Die Araber sollen Air Berlin bereits mit geschätzt einer Milliarde Euro unterstützt haben, die Berliner haben dennoch rund eine Milliarde Euro Schulden und seit Jahren hohe Verluste. So war es als nur eine Frage der Zeit, bis die arabische Staatsfluglinie aus dem steinreichen Öl-Emirat die Geduld verliert.

Mit der Lufthansa-Allianz eröffnen sich nun für die Araber mehr Möglichkeiten. Der neue Kurs wird vor allem Etihad-Airways-Chef Peter Baumgartner zugeschrieben, der im Frühsommer in Abu Dhabi vom Australier James Hogan, dem Chef der Etihad Aviation Group, das gesamte operative Geschäft übernommen hat. Baumgartner ist Schweizer, war früher bei der Swiss Air und wechselte 2005 an den Arabischen Golf. Er gilt als cleverer Stratege.

Die Branche spekuliert, dass Lufthansa und Etihad sich bereits über die weitere schrittweise Auflösung von Air Berlin und die Integration weiterer Teile in die Lufthansa geeinigt haben könnten. Als ein Indiz gilt, dass der künftige Air-Berlin-Chef Winkelmann ein enger Vertrauter von Lufthansa-Chef Spohr ist und der 57-jährige dem Vernehmen nach nur für 18 Monate bestellt worden sein soll. Inwieweit die Wettbewerbshüter solche Pläne dulden werden, ist offen.