Unsere Börsenexperten blicken auf die kommende Woche. Die Anleger plagen sich mit weiteren Leitzinserhöhungen von EZB und Fed – auch weil sich manche Unternehmen bei den Preiserhöhungen maßlos zeigen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Deutschland hat einen neuen Kampfbegriff: die Gierflation. Gemeint ist, dass die Teuerungsrate in deutlichem Maße auf die Profitorientierung von Unternehmen zurückzuführen ist – sie schwimmen nicht nur im Inflationsstrom mit, sondern heben die Preise stärker an, als es zum Ausgleich höherer Kosten nötig wäre. Studien stützen die These von Gewinnmitnahmen in Verbindung mit einem ungenügenden Wettbewerb.

 

Selbst die Europäische Zentralbank (EZB) sorgt sich: „Die Wirkung der Gewinne auf den inländischen Preisdruck sind außergewöhnlich hoch.“ Als Treiber der Entwicklung gelten etwa die Nahrungsmittelhersteller.

„Inflation genutzt, um Kunden in die Tasche zu greifen“

LBBW-Chefvolkswirt Moritz Kraemer meint: „Unternehmen, aber auch der Handel haben die Inflation genutzt, um ihren Kunden tiefer in die Tasche zu greifen.“ Wenn rundherum alles teurer werde, falle es Konsumenten schwerer zu beurteilen, welche Preiserhöhungen unverhältnismäßig seien. Weil kaputte Lieferketten den Wettbewerb zwischen Anbietern im Vorjahr reduziert hätten, sei die Preissetzungsmacht gewachsen. „Dies erklärt, weshalb etwa die Dax-Unternehmen in ihrer Gesamtheit trotz Krieg und Inflation Umsatz und Gewinne gesteigert haben.“

In der Folge hält sich die Inflation hartnäckig, obwohl die weltweiten Energiepreise wieder auf Vorkrisenniveau angelangt sind. Deshalb und wegen des steigenden Lohndrucks durch hohe Tarifabschlüsse hat die EZB ihren Leitzins vorige Woche um weitere 25 Basispunkte angehoben – wie zuvor schon die US-Notenbank Fed. Es waren die erwarteten kleinen Schritte. Während die Amerikaner vermutlich erst mal eine Zinserhöhungspause einlegen, hält sich die EZB die Option offen, noch einmal nachzulegen.

Sommerflaute könnte früher einsetzen

Die Beschlüsse wirken wohl in die neue Woche hinein. In den USA stiften zudem Konjunkturrisiken, kriselnde Banken und der Streit über die staatliche Schuldenobergrenze Unruhe. Dem können sich Europas Märkte kaum entziehen. Nach einer gut sieben Monate währenden Börsenrallye „dürfte die Wahrscheinlichkeit, dass die Sommerflaute dieses Jahr früher einsetzt als sonst, erhöht sein“, ahnen die LBBW-Analysten.