Obwohl der Stuttgarter Autohersteller glänzende Zahlen vorlegt, geht es an der Börse nicht nach oben. Wie erklären Analysten die Situation?

Automobilwirtschaft/Maschinenbau: Matthias Schmidt (mas)

Die Zahlen stimmen, aber die Belohnung bleibt aus. Obwohl Mercedes-Benz nach dem erneut hoch profitablen dritten Quartal seine Gewinnprognose für 2022 auf „deutlich über Vorjahr“ erhöht hat, bleibt ein Höhenflug der Aktie aus. Mercedes-Chef Ola Källenius hat in den vergangenen Jahren viele Fleißkärtchen von den Investoren bekommen: Die Luxus- und Elektrostrategie, harte Kostendisziplin, hohe Renditen und die Abspaltung der Lastwagensparte entsprachen ihren Wunschvorstellungen. Trotzdem dankt es ihm die Börse nicht – zumindest bisher.

 

Mit derzeit knapp unter 60 Euro ist der Kurs seit Jahresbeginn um gut 14 Prozent gesunken. Das Verhältnis von Börsenkurs zum Gewinn pro Aktie liegt derzeit bei 4,6 – eine vergleichsweise niedrige Zahl, die dem eigentlichen Wert des Unternehmens nach Auffassung von Källenius nicht angemessen ist. Von vielen Börsenanalysten erhält er dabei Rückendeckung, sie stufen die Aktie mehrheitlich als Kaufempfehlung ein.

LBBW-Analyst: Mercedes performt besser als der Gesamtmarkt

Frank Biller, Senior Investment Analyst mit Spezialgebiet Autoindustrie bei der LBBW, gehört dazu. „Die Entwicklung von Mercedes-Benz ist weiter positiv. Die Aktie performt besser als der Gesamtmarkt“, sagt Biller. So habe der deutsche Börsenindex Dax seit Jahresbeginn um fast 18 Prozent nachgegeben, „die Mercedes-Aktie liegt im Vergleich um rund vier Prozentpunkte besser“, sagt Biller.

Die LBBW hat in ihrer jüngsten Analyse das Kursziel von 85 auf 89 Euro angehoben. „Beim Gewinn und den erzielten Margen ist Mercedes vorn dran. Die Strategie zahlt sich aus: Das Luxussegment wächst stärker als der Massenmarkt“, sagt Biller und weist noch auf eine andere Kennzahl hin: „Nach unserer Prognose könnte die Dividende dieses Jahr allein im Cars-and-Vans-Geschäft höher ausfallen als 2021, als die Lastwagensparte noch dazuzählte.“ 2021 hatte Daimler fünf Euro pro Aktie bezahlt, ein historischer Rekord für das Unternehmen.

Gelingt es, die hohen Preise durchzusetzen?

Die Gesamtlage an den Märkten ist auch nach Auffassung von Jürgen Pieper, Autoanalyst beim Bankhaus Metzler, der entscheidende Grund dafür, dass der Mercedes-Kurs nicht den guten Geschäftszahlen folgt. Sein Fazit in zwei Sätzen: „Generelle Skepsis gegenüber Industrieunternehmen, Rohstoffabhängigkeit, Energieverbrauch, Rezessionsängste, neuerdings auch Vorbehalte gegenüber China. Daher kommt keine echte Performance zustande.“ Frank Biller sieht für Mercedes beim Blick aufs nächste Jahr die „Herausforderung, die hohen Preise zu halten und Rabatte abzuwehren – auch dann, wenn die Lieferkettenprobleme nachlassen und wieder mehr produziert werden kann“. Für die Deutsche Bank war dies der Grund, das Kursziel von 105 auf 100 zu senken – auch wenn Mercedes-Finanzchef Harald Wilhelm schon angekündigt hat, im Zweifel eher die Produktion drosseln zu wollen.

Während sich der Sportwagenhersteller Porsche seit dem Teilbörsengang Ende September an einem Kursanstieg von gut 20 Prozent erfreuen konnte, bleibt die Börse für Mercedes trotz kleiner Zugewinne in den vergangenen Wochen ein Geduldsspiel. „Die Transformation ist ein Marathon, wir sind noch auf den ersten fünf bis zehn Kilometern“, sagte Källenius vor Kurzem. Wenn man in den kommenden Jahren Schritt für Schritt den Erfolg der eigenen Strategie belegen könne, werde auch der Wert an der Börse steigen, ist er überzeugt. Ein Signal dafür soll Anfang des nächsten Jahres gesetzt werden: In Kalifornien will Mercedes die Fortschritte bei der Fahrzeug-Software präsentieren.

Unterdessen schrumpft immerhin der Abstand zum Elektropionier Tesla, dessen vielfach höhere Marktkapitalisierung den Vorständen der etablierten Konzerne schon lange Tränen in die Augen getrieben hat. Um fast 35 Prozent ist die Tesla-Aktie seit Jahresbeginn gefallen. Das hat jedoch weniger mit dem Kerngeschäft zu tun als mit Tesla-Chef Elon Musk. Der Mann schlug Aktien im großen Stil los, er brauchte das Geld für den Kauf von Twitter.