Die Reihen für den Protesttag der Apotheker am 14. Juni sind im Landkreis Ludwigsburg fest geschlossen. Es geht ums Geld.

Sammy Dadour liebt seinen Beruf, aber die Bürokratie und die Gesundheitspolitik machen dem Marbacher Apotheker das Leben schwer. „Ich müsste allein für die ständigen Rückfragen an Ärzte eine halbe Kraft einstellen“, sagt der Pharmazeut. Dem Aufwand stehen relativ niedrige Erträge aus dem Geschäft mit rezeptpflichtigen Medikamenten gegenüber. Dadour schließt sich deshalb einem bundesweiten Protesttag am 14. Juni an und streikt mit seiner Apotheke am Bahnhof.

 

An dem Protesttag werden sich fast alle Apotheken beteiligen

Dadour ist nicht der einzige Apotheker, der auf die Barrikaden geht. „Auch in den Orten um Marbach herum, im ganzen Landkreis und in Stuttgart sind alle beim Protesttag dabei.“ Nur die Notdienste werden weiterbetrieben, damit die Versorgung mit Medikamenten nicht zusammenbricht.

Die Apotheker sind sich einig: Sie fordern vor allem eine höhere Vergütung der Medikamente auf Rezept. Mit ihnen erzielen sie 83 Prozent ihres Umsatzes.

Die Bundesregierung hat das Fixhonorar auf 8,35 Euro pro Vorgang neben einer dreiprozentigen Beteiligung am Einkaufspreis festgelegt, es soll laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (BDA) aber auf zwölf Euro steigen. Sammy Dadour hält die Forderung nach mehr Geld für seinen Berufsstand für berechtigt: „Wir haben seit zehn Jahren keine Erhöhung gehabt, aber unser Aufwand wird immer größer.“

Mehr Entscheidungsfreiheit und weniger Bürokratie werden gefordert

Könne ein Medikament nicht geliefert werden, müsse der Apotheker im Großhandel eine Alternative finden. Sammy Dadour und seine Kollegen wünschen sich eine größere Entscheidungsfreiheit und weniger Bürokratie. „Ich muss immer wider mal einen Mitarbeiter zur Arztpraxis schicken, der das Rezept für die neu bewilligte Arznei holt.“ Oft benötigten vor allem ältere Patienten diesen Service und eine umfassende Beratung, vor allem wenn sie mehrere Medikamente einnehmen. Überblickten Patienten ihre Einnahmeregeln nicht mehr, drohten Mitwirkungsprobleme: Der Patient lässt Pillen weg, die er eigentlich einnehmen müsste. Die Einnahmetreue, im Fachjargon Compliance, genannt, sei ein zentrales Ziel. „Das geht nur über pharmazeutische Betreuung.“

Die Apotheker verzeichnen im Gegensatz zu früher aber auch höhere Kosten. Laut Landesapothekerverband (LAV) Baden-Württemberg stiegen die Löhne für die Angestellten im Jahr 2022 um elf Prozent und in diesem Jahr noch einmal um drei Prozent, berichtet Frank Eickmann, stellvertretender Geschäftsführer und Pressesprecher des LAV in Stuttgart. Hinzu kämen die enormen Energiekosten: Viele Medikamente müssten gekühlt werden, um vor dem Verfall geschützt zu werden. „Das ist nun erheblich teurer geworden.“

Ob die Bundesvereinigung der Apothekerverbände mit ihrer Forderung Erfolg hat, hänge von der Politik ab, erklärt Frank Eickmann. Die jüngste Erhöhung der Abrechnungssätze liege schon zehn Jahre zurück. Und auch zuvor habe die Branche eine ähnlich lange Durststrecke erdulden müssen. Zuständig seien das Wirtschaftsministerium und das Gesundheitsministerium in Berlin. „Beide Ministerien sind in Koalitionen häufig von verschiedenen Parteien geleitet worden – das hat eine Verständigung wohl schon immer erschwert.“ Um nicht jedes Mal wie ein Bittsteller auftreten zu müssen, fordern die Apothekerverbände eine gesetzlich geregelte Dynamisierung der Honorarsätze mit konkreten Parametern.

Unzufrieden mit der Gesetzesvorlage der Ampel-Koalition ist Frank Eickmannn auch in puncto Aufwandsentschädigung. Etwa bei einem Medikamentenengpass, was wegen der Rücksprache mit den Ärzten für die Ersatzbeschaffung viel Mehrarbeit beschere. „Dafür sollen nur 50 Cent gezahlt werden – unsere Bundesvereinigung fordert 21 Euro.“ Für Eickmann ist das Angebot der Politiker „ein absoluter Witz“. Rechne man es um, lägen die 50 Cent unterhalb des Mindestlohns. Das entsprechende Gesetz soll zur Jahresmitte in Kraft getreten. Letztlich geht es für die Apotheker darum, künftig mehr vom Kuchen der Gesundheitsausgaben abzubekommen. Eickmann sieht in den Rabattverträgen des Bundes für die Hersteller von Medikamenten Luft. Dort seien im Vorjahr 5,4 Milliarden Euro geflossen: „Wir müssen das Geld dorthin bringen, wo die Arbeit anfällt.“

Immer mehr Apotheken gäben auf, berichtet Frank Eickmann. Bundesweit sei die Zahl der Läden in den vergangenen acht Jahren von etwa 21 000 auf 18 000 zurückgegangen. Das entspreche einem Verlust von mehr als zehn Prozent. „An jedem Tag macht in Deutschland eine Apotheke zu – vor allem im ländlichen Raum ist es fünf vor zwölf“, sagt Eickmann. Dort sei die Ärztedichte geringer, es fehle an Rezepten. Auch sei die Zahl der Apotheken im Landkreis Ludwigsburg in den vergangenen zehn Jahren von 109 auf 98 gesunken.

Wie viele Menschen versorgt eine Apotheke?

Entwicklung
Im Landkreis Ludwigsburg hat es laut Statistischem Landesamt im vergangenem Jahr 98 Apotheken gegeben. Jede von ihnen versorgt im Durchschnitt 5558 Einwohner. Vor zehn Jahren gab es noch 109  Apotheken, von denen jede durchschnittlich 4698  Einwohner versorgte. Vor 20 Jahren waren es 114  Geschäfte, denen im Durchschnitt 4414 Menschen zugeordnet waren.

Versandhandel
 Als ein Faktor für das zunehmende Apothekensterben gelten Online-Bestellmöglichkeiten. Preisnachlässe und Rabatte wirken auf die Verbraucher attraktiv. Für die Präsenzapotheke spricht dagegen die Beratung und die schnelle Erhältlichkeit des Medikaments.

E-Rezept Die Möglichkeit, ein E-Rezept online an eine Versandapotheke zu schicken, wird einerseits von Verbrauchern gewünscht. Andererseits würden Präsenzapotheken weiter unter Druck geraten.