Zwar lässt die Stadt inzwischen Falschparker deutlich öfter abschleppen. Doch manchem Stuttgarter ist das noch nicht genug. Twitter-Nutzer stellen daher Bilder von Parksündern ins Netz.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Der Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) hat im Herbst versprochen, dass die Stadt mehr Falschparker abschleppen wird, die andere Verkehrsteilnehmer behindern oder gefährden. Gut ein halbes Jahr später fällt die Bilanz der Aktion unterschiedlich aus – je nachdem, wen man fragt. Unter dem Hashtag StuttgartParktFair prangern Twitter-Nutzer im Netz Beispiele falsch geparkter Autos an, die ihrer Meinung nach sofort an den Haken gehören – aber, so die Sicht der Twitterer, keine Konsequenzen zu befürchten hätten. „Die Stadt tut nichts“, lautet der Vorwurf. Bei der Stadt, die eine gleichnamige Kampagne „Stuttgart parkt fair“ ins Leben gerufen hat, sieht man das anders – und legt entsprechende Zahlen als Beweis vor. Der Bürgermeister hatte im November angekündigt, die mobile Verkehrsüberwachung personell aufzustocken und noch mobiler zu machen: 16 Mitarbeiter sind seitdem unterwegs, um Falschparker zu erwischen. Sechs von ihnen sind – abwechselnd – mit vier extra für diesen Zweck angeschafften Fahrrädern unterwegs, um schneller voranzukommen. Seither seien 1004 Autos zusätzlich an „neuralgischen Punkten“ abgeschleppt werden, also allein durch die Neuaufstellung des Teams, sagt Sven Matis, der Pressesprecher der Stadt. Diese Punkte seien unter anderem E-Ladeplätze, Brandschutzzonen, Behindertenparkplätze gewesen. Eine Gesamtbilanz für 2018 liege noch nicht vor. Jedoch könne man aus einem Halbjahresvergleich erste Rückschlüsse ziehen: Von Januar bis Juni wurden 2018 insgesamt 735 Falschparker abgeschleppt, 2019 waren es 1255.

 

Martin Speiser ist einer der Stuttgarter, die sich an der Twitter-Aktion beteiligen. „Die Aktion bezieht sich auf die Kampagne der Stadt“, sagt er über die Tweets mit dem Hashtag StuttgartParktFair. Es sei keine koordinierte Aktion, sondern der Hashtag und die Initiative zum Online-Pranger habe sich allmählich ausgebreitet unter Rad fahrenden und zu Fuß gehenden kritischen Menschen in der Stadt: „Die Ankündigung bleibt ohne Konsequenzen. Der Stadt sind die Hotspots bekannt, da stehen auch immer die gleichen Fahrzeuge. Dass seit November mehr abgeschleppt wird, davon merkt man nichts“, sagt Speiser. Er ergänzt: „Wenn ich von Wangen in die Stadt zur Arbeit fahre, ob mit dem Fahrrad oder der Stadtbahn, komme ich an zwei Schulen vorbei, wo die Kurven rücksichtslos zugeparkt sind.“ Auch beim Inselbad in Untertürkheim sei die Lage extrem: „Meine fünfjährige Tochter ist dort gestürzt, auch weil die Kurven jeden Sommer zugeparkt werden. Einen Abschleppwagen sieht man da nie“, sagt Speiser, der unter @MartinTriker twittert.

Im Rathaus hält man den Ärger für berechtigt

Der Ärger über Falschparker sei berechtigt, sagt Stadtsprecher Matis. Jedoch sehe man im Rathaus die Twitter-Aktion kritisch: „Anprangern sorgt für Aufmerksamkeit, erreicht die Verkehrssünder aber eher nicht“, meint Matis. Konsequenzen zöge nur eine Anzeige nach sich, ein Kommentar bei Facebook oder Twitter würde hingegen wenig gegen die zugeparkten Wege ausrichten.

Das wird auch im Netz kritisch diskutiert. Doch die Diskussion hat die Twitterer nicht gebremst, sondern eher noch ermutigt, weitere Parksünder aufzunehmen und ins Internet zu stellen. Zugeparkte Gehwege, versperrte Radstreifen, Autos in Fußgängerzonen oder auf Sperrflächen sind dort ebenso zu sehen wie Autofahrer, die durch ihr raumgreifendes Parkmanöver so ungeschickt stehen, dass für ein Auto zwei Stellplätze belegt sind.

Grundsätzlich könne jeder, der durch einen Falschparker betroffen ist, eine private Anzeige erstatten. Davon seien im vergangenen Jahr 3900 bei der Stadt eingegangen. Schwerpunkte seien dabei Behinderungen von Einfahrten gewesen, aber auch Nutzer von Elektroautos würden sich melden, wenn Stellplätze an Ladestationen durch Autos mit Verbrennungsmotor blockiert seien. Eine persönliche Betroffenheit und damit der Grund zur Anzeige sei auch gegeben, wenn ein Radfahrer durch ein auf dem Radweg stehendes Auto blockiert wäre. Ein Ausschlusskriterium, solche Anzeigen zu verfolgen, sei es, wenn dahinter Nachbarschaftsstreitigkeiten stecken würden.

Neben all der Kritik, die am Abschleppkonzept der Stadt laut wird, kommt aber von manchen Stellen auch Lob: „Mehr als 1000 zusätzlich abgeschleppte Autos, das ist ja schon mal was“, sagt Thijs Lucas, einer der Sprecher des Radentscheids Stuttgart. Für noch höhere Zahlen müsse die Stadt weitere Stellen schaffen, sagt er mit Blick auf die nächsten Haushaltsberatungen. „Wenn man eine Fahrradstadt werden will, muss man eben investieren“, fügt Thijs Lucas hinzu.