Schwarzwälder Bauern produzieren glyphosatfreie Weihnachtsbäume. Sie verzichten auf Chemie und nutzen tierische Rasenmäher zur Pflege ihrer Plantagen. Der Landwirt Werner Armbruster aus dem Kinzigtal verkauft seine Bäume im Advent auch in Stuttgart.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Berghaupten - Bald brennen wieder die Kerzen am Christbaum. In rund 28 Millionen Haushalten in Deutschland wird am 24. Dezember eine geschmückte Tanne stehen. Schön soll der Baum sein und nicht zu teuer, denn in wenigen Wochen wird er schon wieder abgeräumt und anschließend verbrannt oder kompostiert.

 

„Viele Menschen überlegen nicht, was genau sie sich ins Wohnzimmer stellen“, sagt der Landwirt Werner Armbruster verwundert. Auf dem Hof in Berghaupten im Kinzigtal (Ortenaukreis), den er mit seiner Frau bewirtschaftet, liegen hundert Nordmanntannen bereit. „Die gehen nach Stuttgart“, sagt Armbruster.

An drei Terminen werden er und sein Kollege Josef Panter aus Oppenau insgesamt 350 Weihnachtsbäume vor dem Stadtkaufhaus „Das Gerber“ anbieten. Die Weihnachtsbäume von Armbrusters Hof im mittleren Schwarzwald werden allerdings etwas teurer sein als die Angebote vor Baumärkten und Discountern, 23 Euro für den Meter. Dafür sind sie frisch, die Billigware hingegen hat vor dem Verkauf einen langen Weg hinter sich gebracht – sie kommen von Plantagen in Polen, Tschechien, Holland, Dänemark oder Niedersachsen. Viele wurden bereits Ende Oktober geschlagen und in Kühlhäusern frisch gehalten. Und in den Plantagen wird darüber hinaus das nachwachsende Gras oft mit Chemie kurz gehalten. Ließe man das Gras wachsen, würden die unteren Äste des Baumes verdorren.

Shropshire-Schafe fressen das nachwachsende Gras sauber ab

„Der Weihnachtsbaum wächst seit einigen Jahren auch bei uns im Schwarzwald in Kulturen“, erklärt Ulrike Armbruster. „Früher hat man ein paar vom Waldrand geholt, das ist vorbei.“ Und dennoch unterscheidet sich die Weihnachtsbaumplantage am Hang hinter Armbrusters Hof nicht nur in der Größe von den großen Flächen in der Ebene. „Wir haben einen tierischen Rasenmäher“, sagt der Bauer schmunzelnd. Gemeint sind ein Dutzend Shropshire-Schafe. Die wuseln das ganze Jahr über immer wieder um die Tännchen herum, fressen das nachwachsende Gras sauber ab und düngen nebenbei auch noch den Boden. Tannnadeln verschmäht die genügsame und robuste Rasse aus England.

Die chemische Keule gegen Unkraut, Insekten oder Pilze will und braucht Werner Armbruster nicht. Früher hat er das Gras abgemäht, jetzt muss er nur noch auf die Brombeerdornen achten. Auch chemische Mittel, die das Wachstum der Bäume regulieren, damit die Spitze nicht zu hoch wächst, verwendet Armbruster nicht. Er kappt die Nährstoffbahnen am Stamm mit einer Zange. Das ist insgesamt mehr Arbeit, dafür gehen von seinem Bäumen keine giftige Ausdünstungen aus.

„Viele Untersuchungen und Tests haben nachgewiesen, dass gespritzte Bäume ihre Substanzen, zum Beispiel Glyphosat, in die warme Raumluft abgeben“, warnt Uwe Baumann. Den Projektentwickler, Moderator, Netzwerker und Buchautor aus Lahr treibt seit Jahren die nachhaltige Entwicklung des Schwarzwalds um. Er unterstützt das Label „Echt Schwarzwald“, mit dem sich Landwirte, Metzger und Gastronomen zur Einhaltung von schonenden Qualitätsstandards für typische Schwarzwalderzeugnisse verpflichten. Den „Export“ der glyphosatfreien Weihnachtsbäume in die Landeshauptstadt betrachtet Baumann als Verbraucheraufklärung. Zugleich trage die Aktion aber auch zur Stärkung der traditionellen Landwirtschaft bei.

Werner Armbruster verzichtet in seiner Weihnachtsbaumplantage auf Chemie. Foto: Heinz Siebold

Die Bäume sind mehr als nur ein Zubrot

Das Weihnachtsbaumgeschäft ist für Schwarzwaldbauern wie Werner Armbruster und seine Frau Ulrike kein nettes Zubrot, sondern eine wichtige Einkommenssäule. 1992 haben sie den Hof übernommen. „Wir hatten von Landwirtschaft keine Ahnung“, erzählen sie. Beide waren bei der Telekom beschäftigt, haben dann aber Ausbildungen gemacht, die sie für das neue Hofkonzept brauchen konnten: Sie wurde Hauswirtschaftsmeisterin und Kräuterpädagogin, er machte einen Brennerkurs. Heute ist das Hofgut „qualifizierter Lernort Bauernhof“, einer von 350 im Bundesland. Die Familie mit zwei erwachsenen Söhnen versteht sich als Selbstversorger und setzt voll und ganz auf Direktvermarktung im Hofladen, wo Edelbrände, Liköre, selbst erzeugtes Rind-, Schweine- und Lammfleisch an eine treue Stammkundschaft verkauft werden. Kräuterseminare und Wildkräuterführungen mit Events sind über Monate ausgebucht. Die Christbaumplantage haben die Armbrusters auf dem ehemaligen Rebhang angelegt. Bis die Nordmanntannen und Blaufichten groß genug sind, dauert es acht bis neun Jahre.

Verkauf an drei Terminen im Advent

Die „Echt Schwarzwald“ Tannen werden in Stuttgart an folgenden Terminen verkauft: Am Samstag, 8. Dezember von 9.30 bis 20 Uhr, am Freitag, 14., von 13 bis 20 Uhr und am Samstag, 15. Dezember, von 9.30 bis 22 Uhr vor dem Stadtkaufhaus Gerber, Eingang Tübinger Straße. Die Aktion wird auch von der Staatsbrauerei Rothaus unterstützt.

Der historische Ursprung des Weihnachtsbaumes ist umstritten. Verbürgt ist, dass Freiburger Bäckerknechte 1419 einen Baum mit Äpfeln, Lebkuchen, Papierschmuck und gefärbten Nüssen dekorierten. Im Jahr 1660 wurden erstmals Kerzen auf einem Baum erwähnt. Die Mehrzahl der Weihnachtsbäume erstrahlte jedoch erst nach der Erfindung des Paraffin 1830 im Lichterglanz.

Rund 28 Millionen Weihnachtsbäume werden in deutschen Wohnzimmern zu Weihnachten stehen. Der Importanteil ist von 25 auf rund zehn Prozent zurückgegangen. Weihnachtsbäume in Großplantagen können giftige Rückstände enthalten, warnen Umweltverbände. Das ARD-Verbrauchermagazin Plusminus hat unlängst Christbäume von „Testwatch“ untersuchen lassen. „Auf den Bäumen ist die gesamte Bandbreite der Pestizide. Also Insektizide, Unkrautvernichtungsmittel, Pilzmittel und auch Glyphosat“, sagt der Tester Jürgen Stellpflug. Die Stoffe könnten durch die warme Luft im Wohnzimmer ausgasen, sagt der Tester.