Die große Abrechnung mit Carsten Kengeter blieb auf der Hauptversammlung aus, aber es ist unsicher, wie lange er die Deutsche Börse noch leiten wird, meint unser Korrespondent Klaus Dieter Oehler

Frankfurt - Es war keine Generalabrechnung. Zwar gab es durchaus Aktionärsvertreter, die sowohl dem Vorstandsvorsitzenden Carsten Kengeter als auch dem Aufsichtsratschef der Deutschen Börse, Joachim Faber, gestern auf der Hauptversammlung vorhielten, die gescheiterte Fusion mit der Börse in London nicht gut vorbereitet zu haben. Auch schimpfte der eine oder andere Aktionär darüber, dass sich Kengeter ausgerechnet kurz vor Bekanntwerden der Fusionsgespräche noch einmal ordentlich mit Aktien eingedeckt hatte. Eine schwere Hypothek für den Chef einer Börse, die eigentlich dafür sorgen sollte, dass es solche Geschäfte gar nicht geben kann, wie Aktionärssprecher dem Börsenchef zu Recht vorwarfen. Aber letztlich hatte weder das eine noch das andere nachhaltige Konsequenzen für das Führungspersonal des Börsenbetreibers. Das liegt vor allem daran, dass die Aktionäre auf den vorherigen Treffen sowohl das Vergütungssystem als auch die Fusionsgespräche abgesegnet hatten.

 

Die Aktionäre dürfen sic hüber eine höhere Dividende freuen

Und so schlecht steht die Deutsche Börse auch nach den gescheiterten Gesprächen mit der London Stock Exchange nicht da. Die Zahlen der vergangenen Monate zumindest stimmen, die Aktionäre dürfen sich über ein Aktienrückkaufprogramm und eine höhere Dividende freuen. Alles im Lot, also?

Nicht ganz. Man darf sich schon fragen, warum es dem Börsenbetreiber der größten und erfolgreichsten Volkswirtschaft Europas einfach nicht gelingt, sich mit einem anderen starken Partner zusammen zu tun. Schon zwei Vorgänger Kengeters sind an solchen Vorhaben gescheitert. Der Zeitpunkt für den aktuellen Fusionsanlauf war mit Sicherheit unglücklich gewählt. Die „Deutsche Börse“ nach London verlegen zu wollen, wenn die Briten gerade der Europäischen Union den Rücken kehren, ist schon ein gewagtes Vorhaben. Auch die nun vorgelegte „neue“ Strategie des Alleingangs mit der Konzentration auf bestimmte Bereiche des Finanzmarktes kann nicht wirklich überzeugen. Noch hat Kengeter einen Vertrag bis März 2018. Aufsichtsratschef Faber hat aber bisher nicht deutlich erkennen lassen, dass dieser Vertrag verlängert wird. Man werde „rechtzeitig“ darüber entscheiden, sagte Faber nur. Ein Börsenchef auf Abruf also – bis er eine bessere Strategie vorlegen kann. Oder bis sich ein Besserer findet.