Harte Kindheit, glänzende Hollywoodkarriere, aber seine Liebe gehört dem Theater. Der legendäre Lee Strasberg zollte ihm einst Tribut: "Einige Schauspieler spielen Charaktere. Al Pacino wird zu ihnen." Jetzt wird der ungezähmte Star 75 Jahre alt.

Los Angeles - Fast hätte es mit Michael Corleone nicht geklappt. „Sie wollten mich in den ersten Wochen bei den Dreharbeiten feuern“, erzählte Al Pacino kurz vor seinem 75. Geburtstag dem Sender ABC. Er sprach natürlich über seine Rolle in dem Mafia-Drama „The Godfather“ („Der Pate“). Regisseur Francis Ford Coppola setzte sich vor mehr als 40 Jahren glücklicherweise gegen die kritischen Produzenten durch, die den jungen Italo-Amerikaner Alfredo James Pacino anfangs für die Rolle des Sohnes des „Paten“ Don Corleone (Marlon Brando) für zu weich hielten.

 

Coppola hatte den unbekannten Sprössling einer sizilianischen Familie Bewerbern wie Robert Redford, Warren Beatty, Jack Nicholson oder Robert De Niro vorgezogen. Die Rolle in der Mafia-Trilogie (1972-1990), in der sich Pacino vom braven Studenten zum kaltblütigen Oberhaupt des Familienclans verwandelt, machte ihn weltberühmt. An diesem Samstag (25. April) wird der ergraute Star 75 Jahre alt, doch damit setzt er sich nicht zur Ruhe.

Allein in diesem Jahr ist Pacino mit drei Filmen im Kino vertreten. In „Danny Collins“ spielt er einen alternden Sänger, der sein Leben umkrempelt. In „Manglehorn“ trauert er als einsamer Rentner einer verlorenen Liebe nach, in „The Humbling“ mimt er einen Schauspieler am Ende seiner Karriere, der sich in eine deutlich jüngere Frau verliebt.

Denke nicht ans Aufhören

Beim Filmfest in Venedig im vergangenen Herbst betonte Pacino, dass er nicht ans Aufhören denke. „Mit der Schauspielerei habe ich etwas gefunden, das ich sehr liebe“, beteuerte der Oscar-Preisträger. Es gibt auch ganz praktische Gründe. „Ich habe junge Kinder“, flachste er im ABC-Interview. Die müsse er ernähren. Die Zwillinge Anton und Olivia aus seiner Beziehung mit der Schauspielerin Beverly D’Angelo sind 14 Jahre alt. Tochter Julie (25) ist eine angehende Filmproduzentin. Verheiratet war Pacino nie, doch er hatte langjährige Liebschaften, darunter mit seiner „Pate“-Kollegin Diane Keaton. „Ich möchte für meine Kinder da sein“, erzählt der in Beverly Hills lebende gebürtige New Yorker dem „New Yorker Magazine“. „Ich wußte, dass ich nicht wie mein Vater sein wollte“, sagte er im vergangenen September der Zeitschrift.

Pacino war zwei Jahre als, als der 20-jährige Salvatore die Familie verließ. Er wuchs unter ärmlichen Verhältnissen bei den sizilianischen Großeltern in der New Yorker Bronx auf. Seine Mutter Rose, die zeitweise in einem Kino jobbte, habe seine Liebe zum Theater und zum Film geweckt. Als kleiner Junge habe er sie zur Arbeit begleitet, erinnert sich Pacino. „Am nächsten Tag habe ich alle Rollen nachgespielt. Ich denke, so fing es an.“

Es war kein einfacher Start für den 1,68 Meter großen Italo- Amerikaner. Als Teenager wurde er von der Manhattaner Hochschule für darstellende Kunst verwiesen, nahm dann aber bei Charles Laughton und dem legendären „Method“-Lehrer Lee Strasberg Unterricht. Mit Ende zwanzig erspielte sich Pacino auf den New Yorker Bühnen seine erste „Tony“-Trophäe. Auf der Leinwand fiel er erstmals 1970 als neurotischer Drogendealer in „Panik in Needle Park“ auf. Strasberg zollte ihm Tribut: „Einige Schauspieler spielen Charaktere. Al Pacino wird zu ihnen.“

Nach seinem „Paten“-Auftritt als Michael Corleone, für den er 1972 die erste von acht Oscar-Nominierungen erhielt, riss sich Hollywood um Pacino als Mafioso, Polizist oder Verbrecher. In „Serpico“ (1972) spielt er einen gebrochenen Cop, in „Hundstage“ (1975) einen Geiselnehmer, in „Scarface“ (1979) einen mächtigen Drogendealer. Nach sechs vergeblichen Oscar-Anläufen nahm Pacino 1993 die begehrte Trophäe endlich in Empfang. Belohnt wurde er für die Rolle des blinden Ex-Offiziers und raubeinigen Charmeurs Frank Slade in „Der Duft der Frauen“. Auch mit den Fernsehfilmen „Angels in America“ über die Aids-Epidemie der 80er Jahre und „You Don’t Know Jack“ über den Sterbehilfe-Arzt Jack Kevorkian macht Pacino Furore.

Große Liebe gehört dem Theater

Trotz seiner Filmerfolge verweist der Shakespeare-Fan immer wieder auf seine große Liebe zum Theater. Mit „Looking for Richard“ hatte sich der Schauspieler bereits 1996 in eine Shakespeare-Studie vertieft und damit auch sein Regie-Debüt gegeben. Er stand in Oscar Wildes „Salome“ auf der Bühne, in Shakespeares „Julius Cäsar“, in Brechts „Aufstieg und Fall des Arturo Ui“ und in „König Ödipus“ von Sophokles.

In diesem Herbst will er an den New Yorker Broadway zurückkehren. Das Stück „China Doll“ habe er eigens für Pacino geschrieben, kündigte der Dramatiker David Mamet („Glengarry Glen Ross“) an. Mit 75 Jahren wird er einen Milliardär mit einer jungen Verlobten spielen. Es sei „eine der beängstigenden und herausforderndsten“ Bühnenrollen, die er je angenommen habe, sagte Pacino über den Part. Gerade richtig für Hollywoods ungezähmten Star.