Albrecht Conrad verlässt Stuttgart-Degerloch nach neun Jahren Richtung Ostheim. Leicht fällt ihm der Abschied nicht. Warum er es trotzdem richtig findet.

Degerloch - Am 15. August tritt Pfarrer Albrecht Conrad seinen letzten Dienst in der Michaelskirche in Stuttgart-Degerloch an. Er beendet seine neunjährige Amtszeit mit einer Predigtreihe, die eines seiner Markenzeichen geworden ist und die die geistliche Welt mit der der Rockmusik vereint. In der aktuellen Reihe (1., 8. und 15. August) beschäftigt sich Conrad mit der britischen Synth-Rock-Band Depeche Mode, die sich in Songs wie „The Sinner in Me“ oder „Personal Jesus“ bereits die eine oder andere Glaubensfrage gestellt hat. Nur zwei Wochen später tritt Conrad seine neue Stelle an. Er wird Pfarrer in der Lukaskirche in Ostheim. „Rings um mich herum wird schon gepackt“, sagt der Pfarrer. Denn auch wenn die Conrads in Stuttgart bleiben, wechseln sie doch die Wohnung. Das müssen sie: Pfarrer haben Residenzpflicht, deshalb ist Ostheim nicht nur neue Dienststätte, sondern neues Domizil. Warum überhaupt der Weggang? „Aus Degerloch treibt mich nichts fort, uns hat es hier sehr gefallen“, sagt Conrad. Als Pfarrer sei man aber gehalten, nach einem Jahrzehnt die Stelle zu wechseln. „Das ist ein turnusmäßiger Wechsel.“ Dann kam die offene Stelle in der Lukaskirche, und er dachte: Das könnte passen. „Also habe ich mich dort beworben“, so der Pfarrer.

 

Ostheim sei ein Kontrast zu Degerloch

Auch die Lust, nach vielen Jahren etwas Neues zu sehen, merkt man ihm an. Ostheim unterscheide sich stark von Degerloch, nicht zuletzt sei die Bevölkerung in dem alten Arbeiterquartier gemischter. „Das Schöne am Pfarrberuf ist ja, dass man sich beim Wechseln der Stelle einen Kontrast suchen kann. Und der ist hier gegeben“, so Conrad.

Kernthemen des christlichen Glaubens

Highlights hat es in den neun Jahren in Degerloch viele gegeben. Zum Beispiel die „Abende zum Glauben“, vier Abende jeweils zu Jahresbeginn, an denen sich die Teilnehmer mit den Kernthemen des Christentums beschäftigt haben. Ein großes Team von Ehrenamtlichen hat die Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Das Interesse war groß. „Zuletzt sind 70 Leute gekommen, aus Degerloch, aber auch darüber hinaus. Ich hoffe, dass das fortbesteht. Ich fand es toll, dass sich die Menschen einfach für die Kernthemen des christlichen Glaubens interessieren. Als Pfarrer hat man da das Gefühl, an den Kern der eigenen Arbeit zu kommen. Das ist dann die größte Freude“, sagt Conrad.

Die Arbeit mit dem Jugendwerk Degerloch und mit der Mobilen Jugendarbeit, bei der er im Vorstand sitzt, haben ihm immer Spaß gemacht. „Das habe ich überaus gern gemacht, das ist mir Herzensangelegenheit“, sagt der Pfarrer. Gleiches gelte fürs evangelische Jugendwerk und die Kindergärten, die er sehr gerne begleitet habe. Beeindruckt hat ihn das große ehrenamtliche Engagement der Degerlocher, in den Seniorenkreisen zum Beispiel. „Oft wurde ich eingeladen, um eine Andacht oder einen Vortrag zu halten, das habe ich immer sehr gern gemacht.“

Fast jedes zweite Heimspiel der Stuttgarter Kickers besucht

Wie gut sich Conrad in Degerloch integriert hat, lässt sich auch an seinem Freizeitverhalten belegen: Der eingefleischte VfB-Fan bekundet, fast jedes zweite Heimspiel der Blauen im Gazi-Stadion besucht zu haben. Seine Vorliebe für die Roten aus Bad Cannstatt wiederum hätten die Degerlocher „mit Langmut ertragen“. Das alles macht den Abschied nicht leichter. „In neun Jahren lernt man natürlich viele Leute kennen und begleitet sich gegenseitig. Und dann hört es plötzlich auf“, sagt der gebürtige Ilsfelder. Die Dienstzeit eines Pfarrers sei aber eben endlich – dieses Bewusstsein sei immer präsent gewesen. Die Michaelskirche werde künftig in guten Händen sein, da ist sich Conrad sicher. Erst in denen eines Vertreters, später dann in denen eines regulären Nachfolgers – oder einer Nachfolgerin. Die Stelle ist ausgeschrieben.