Feministin Alice Schwarzer fordert bei Maybrit Illner (ZDF) mehr Solidarität mit iranischen Frauen – und CDU-Chef Merz positioniert sich ähnlich, lobt den Mut der Iranerinnen.

Die linke Feministin und Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer und der konservative CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in einer Talkrunde: Wer da Krawall vorhergesagt hatte, lag daneben. Denn es ging nicht um gendergerechte Sprache, da wäre vielleicht Zoff geboten, sondern um den Protest der Bevölkerung im Iran. Und da waren die Frauenrechtlerin und der Christdemokrat häufig auf einer Wellenlänge – zum Beispiel in ihrer Kritik an der grünen Außenpolitik der Bundesregierung. Vielfach ging es in der Sendung darum, was man gegen das brutale Regime im Iran tun könne.

 

Den politischen Islam verharmlost?

Den deutschen Grünen warf Alice Schwarzer vor, dass vor allem sie „den politischen Islam verharmlost“ hätten, es habe lange gedauert, bis man etwa gegen das Islamische Zentrum in Hamburg – das als Außenposten des Mullah-Regimes gilt – auf Distanz gegangen sei.

Kritik an grüner Ministerin

Friedrich Merz widersprach da natürlich nicht – und legte nach. Er warf der Bundesregierung mit ihrer grünen Außenministerin Annalena Baerbock vor, dass sie auf die Frage, ob sie nicht endlich die iranischen Revolutionsgarden als Terrorvereinigung einstufen wolle, „herumgeeiert“ sei. Kanada und die USA haben dies schon getan. Die Regierung verweise da auf eine notwendige Abstimmung mit Brüssel, wo man manches tun könne, „aber in Berlin wäre mehr möglich“, meinte Merz. Schützenhilfe erhielten Schwarzer und Merz von der im Iran geborenen TV-Korrespondentin Golineh Atai, die es schon „sehr erstaunlich“ fand, dass die grüne Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Katja Keul, die Zurückhaltung damit begründete, dass es gegen die Revolutionsgarden noch keine Ermittlungen gebe. Drei getötete Iran-Dissidenten, die Enthüllung eines geplanten Anschlags in Nordrhein-Westfalen auf eine Synagoge und der Attentatsversuch auf den Philosophen Bernard-Henri Levy offenbar durch den Iran – ob das alles nicht genug sei, fragte Atai.

Telefonate aus dem Gefängnis

Die aufrüttelnden Schilderungen in der Talkrunde kamen von Frauen mit iranischen beziehungsweise kurdischen Wurzeln: So von der Fotografin Ghazall Abdollahi, die schilderte, wie sie selbst von Revolutionswächter verfolgt und attackiert wurde und in letzter Minute in ein Auto fliehen konnte. Und, dass ihre Mutter – eine Friedensaktivistin – seit zwei Jahren in Teheran im Gefängnis sei. „Sie hat noch ein Jahr. Jeden Tag darf mein Vater mit ihr zehn Minuten telefonieren.“

Hat der Westen 43 Jahre zugeschaut?

Und Düzen Tekkal, eine Filmemacherin, die die Ansicht von Alice Schwarzer teilte, dass der Westen 43 Jahre lang gleichgültig und duldsam dem Regime des Iran zugeschaut habe, sagte: „Wir müssen eine Iran-Wende in der Politik einleiten. Das Regime dort lässt eine ganze Tik-Tok-Generation über die Klippe springen.“ Der Iranische Staat sei eine Gefahr für die eigenen Bürger, aber er werde den Terror auch nach außen tragen. Der Westen habe zulange wirtschaftliche Interessen vorangestellt, die Menschenrechte standen da im Wege.

Diese Protestbewegung ist anders

Auch Golineh Atai zitierte iranische Protestler mit der Frage, warum sich der Westen beispielsweise bei den Atomverhandlungen mit Teheran vor den Mullahs „so in den Staub geworfen“ habe. Atai skizzierte die Protestbewegung im Iran – es ist die dritte, große Protestwelle seit 2000 – als etwas Besonderes: „Es gibt keine religiösen Verweise in diesem Protest. Er ist jung, die meisten Teilnehmer sind unter 25 Jahren. Es ist eine Generation, die nichts zu verlieren hat – und es ist ein schichtenübergreifender Protest.“

Die Moderatorin hakt nicht nach

Große Antworten auf die Iran-Frage hatte aber auch Friedrich Merz nicht parat. Er bewunderte den „Mut der iranischen Frauen“, er warf der Bundesregierung vor allem Langsamkeit bei Sanktionen vor und erinnerte an den Ex-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der als letzter mit einer großen Delegation nach Teheran gereist sei, „in der irrigen Annahme“, er könne mit Handel den Wandel bewirken. Merz machte auch darauf aufmerksam, dass der Iran in der Lage sei, binnen zwölf Monaten atomwaffenfähiges Material zu entwickeln. Die einzigen, die ihn persönlich beruhigten in der Region, das seien die Israelis, die sich gegen den „aggressiven Antisemitismus“ von Teheran behaupten würden, so Merz. Es habe zwischen Israel und Iran schon mal gewisse Ereignisse gegeben, die „eine bestimmte Handschrift trugen“, und er hoffe, dass dieser Kurs fortgesetzt werde. Was Merz genau meinte, blieb offen. Drohnenangriffe auf Militärstellungen im Iran? Attentate etwa auf iranische Atomwissenschaftler oder Militärs durch den Mossad? Merz führte das nicht aus, Maybrit Illner hakte nicht nach.

Verständnis für Annalena Baerbock

In der Verteidigungsposition verharrte bei dieser Talkrunde Grünen-Chef Omnid Nouripour, auch er ist im Iran geboren. Es sei „zum Mäusemelken“, wie lange das mit neuen EU-Sanktionen dauere, bemerkte Nouripour. Das liege aber nicht an Berlin, sondern daran, dass sich Deutschland mit 26 anderen EU-Partnern abstimmen müsse. Die USA und Kanada hätten es da einfacher. Und es könne von Außenministerin Baerbock nicht erwartet werden, dass sie öffentlich die Länder nenne, die in der EU da blockierten.

Appell an die Frauen im Westen

Am prägnantesten äußerte sich am Ende Alice Schwarzer, die am Samstag 80 wird. Sie sagte, dass auch Deutschland noch zu Jahresbeginn bei den UN dafür gestimmt, dass der Iran in die Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen aufgenommen wurde: „Da staunt sogar der Herr Merz, der das Leben und die Politik kennt. Wir haben das Regime salonfähig gemacht.“ Die Feministin forderte, „Hilfe von außen für die Demonstranten“, eine Ausweisung des iranischen Botschafters, das Einfrieren der Konten von Verantwortlichen und deutsche Visa für alle, die in Gefahr seien. Wenn sie die Bilder der stolzen Iranerinnen sehe, die ohne Kopftuch zum Protest auf die Straße gingen, dann sei sie sehr berührt, sagte Alice Schwarzer. „Ich habe aber auch Angst um sie. Als Akt der Solidarität mit ihnen sollten auch die Frauen im Westen die Kopftücher ablegen.“