Bei der Theatergruppe „Alle dabei“ der Lebenshilfe stehen auch Menschen mit dem Down-Syndrom auf der Bühne. Das aktuelle Stück wird 21. März aufgeführt.

Leonberg - Schneewittchen schläft unter einem grünen Kaktus, als die Zwerge mit ordentlich Tamtam aufkreuzen. Aus dem Schlaf gerissen, könnte die Ansage an die Fremde nicht deutlicher sein – auch wenn dem ein oder anderen schon das Wasser im Mund zusammen läuft, sieht er sie doch schon praktisch in der Küche, wie sie köstliche Kirschtorten und andere Leckereien aus dem Ofen zaubert: „Du kannst hier nicht bleiben, wir sind zu viele, und es gibt nicht Arbeit für alle!“ Am Ende bringt Pragmatica mit der Merkel-Raute den Haufen dann aber doch auf Linie. „Wir schaffen das!“, schallt es auf ihren Kehlen.

 

Schon der Titel des Stücks „Spieglein, Spieglein in der Hand – Schneewittchen 4.0“, das bei der Lebenshilfe geprobt wird, lässt erahnen, dass hier etwas anders ist als in der Originalgeschichte, wie sie in der Märchensammlung der Gebrüder Grimm steht. Facebook, Anspielungen auf aktuelle Themen wie Flüchtlingspolitik und Rollenbilder, und die böse Stiefmutter hat keinen Spiegel, sondern erfährt durch ihr Smartphone, dass ihre Beliebtheitswerte in den Keller rutschen. „Es ist keine Märchenaufführung für Kinder“, macht Elisabeth Kolofon von der Lebenshilfe klar – sie hat den klassischen Text an die    heutige Zeit angepasst. „Es ist eine Geschichte für Erwachsene, die sich an ein Märchen anlehnt.“

Jeder trägt etwas zum Erfolg bei

Und weil das Ganze über den gemeinnützigen Verein läuft, der sich um Menschen mit Behinderung und deren Angehörige kümmert, spielen professionelle Schauspieler zusammen mit behinderten Menschen. Die Theatergruppe „Alle dabei“ wurde 2015 gegründet und ist eine Kooperation der Lebenshilfe mit der Leonberger Theatergruppe „Bühne 16“. Drei Darsteller haben das Down-Syndrom, und so wird das Stück zum vierten und letzten Mal am Welt-Down-Syndrom-Tag am 21. März im Haus der Begegnung aufgeführt. „Damit wollen wir auch das Thema stärker in die Öffentlichkeit bringen“, sagt Kolofon. Das Datum ist übrigens nicht zufällig gewählt, es symbolisiert das charakteristische Merkmal des Syndroms, nämlich das dreifache Vorhandensein des 21. Chromosoms – daher spricht man auch von Trisomie 21.

Schließlich gibt es noch viele Missverständnisse in der Gesellschaft. „Viele glauben, dass Menschen mit dem Down-Syndrom krank sind“, sagt sie und stellt klar: „Aber es ist keine Krankheit.“ Die Betroffenen seien gesund, und sie litten auch nicht, wie das eben kranke Menschen tun. Kolofon weiß das nicht nur aus ihrer Arbeit bei der Lebenshilfe, denn auch ihr Sohn Sebastian, der ebenfalls bei dem Theaterstück mitspielt, für die Probe aber krankheitsbedingt ausgefallen ist, hat das Syndrom. „Im Prinzip sind Menschen mit dem Down-Syndrom ganz zufrieden mit sich“, sagt sie. Gleichwohl merkten sie, dass sie anders seien. „Damit klar zu kommen, ist durchaus ein Problem – vor allem, wenn es um Dinge geht, die eben nicht möglich sind, wie eine Freundin oder Führerschein.“

Jeder ist anders gestrickt

Dennoch ist sie sich sicher, dass Betroffene ein glückliches Leben führen können: „In der Regel sind Menschen mit dem Down-Syndrom nicht auf dauerhafte Unterstützung angewiesen.“ Man spricht übrigens auch nicht von „Downies“, weil das verniedlichend ist. „Viele meinen, dass sich Menschen mit dem Down-Syndrom sehr ähnlich sind, und alle lieb und nett sind“, sagt sie. „Aber letztlich ist es so, wie auch bei allen anderen – jeder hat eine eigene Persönlichkeit und ist mit seinen Fähigkeiten anders gestrickt.“ Die Spanne reiche von schwerer Behinderung bis zu fast durchschnittlicher Intelligenz. 


Sandra Pregitzer spielt das Schneewittchen. „Die Rolle passt zu mir, ich bin nämlich immer freundlich und gutmütig!“, befindet die Heimerdingerin. Und auch Peter Neumann ist die Rolle des Zwergs Akrobatikus wie auf den Leib geschrieben. „Ich bin ein lustiger Typ!“, sagt der 16-Jährige, während seine Schauspielkollegin kopfnickend attestiert: „Er ist witzig und sportlich!“ Rad schlagen und Spagat, die seine Rolle verlangt, macht er folglich mit links! Die beiden standen auch schon bei den ersten drei Aufführungen auf der Bühne. „Nervosität gehört dazu, aber die Vorfreude überwiegt“, sagt die 32-Jährige. Am Ende entschädige der Applaus für alle Strapazen. „Und dann darf man noch Interviews geben und kommt in die Zeitung!“, meint Sandra und ist ein bisschen stolz.

Wenn man Fachleuten Glauben schenken mag, wird es in der Zukunft wohl immer weniger Menschen mit dem Down-Syndrom geben. Weil sich heutzutage in der Schwangerschaft immer besser erkennen lässt, ob es im Erbgut des Fötus schwere Störungen gibt, entscheiden sich viele Frauen nach einer positiven Pränatal-Diagnose zum Schwangerschaftsabbruch. Dazu kommt es in neun von zehn Fällen – allerdings bezieht sich diese Statistik nur auf vorgeburtliche Untersuchungen, die nicht alle machen lassen. Zwar müsse jede Frau für sich die Entscheidung treffen, aber für die Gesellschaft findet es Elisabeth Kolofon schade, wenn diese negativ ausfalle. „Die Vielfalt der Menschen ist eine Bereicherung . Wenn alle perfekt sind, dann wäre das Leben doch viel ärmer!“

Die Aufführung ist am Mittwoch, 21. März, von 19 bis 20.30 Uhr im Haus der Begegnung. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.

Trisomie 21

Allgemeines: Der Begriff des Down-Syndroms geht auf den britischen Arzt John Langdon-Down zurück, der das Syndrom 1866 erstmals dokumentierte. In Deutschland leben zwischen 30 000 bis 50 000 Menschen mit dem Down-Syndrom, weltweit sind es etwa fünf Millionen. Damit zählt das Down-Syndrom zu den am häufigsten vorkommenden angeborenen Syndromen und kommt bei beiden Geschlechtern gleich oft vor. Trisomie 21 ist die bei Neugeborenen häufigste Chromosomenaberration.

Das Syndrom: Menschen mit dem Down-Syndrom haben in jeder Zelle 47 Chromosomen, statt der üblichen 46. Das liegt am Chromosom Nummer 21, das dreifach in jeder Zelle vorhanden ist und nicht wie normalerweise zweimal. Über die Chromosomen werden Erbinformationen weitergegeben. Die Gene auf den Chromosomen bestimmen das Wachstum und die Funktionen des Körpers. Ein überzähliges Chromosom stört das genetische Gleichgewicht.

Merkmale: Kinder mit dem Down-Syndrom wachsen und entwickeln sich langsamer und sind in ihren kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigt. Das Aussehen wie Größe, Kopfform, Augen ist betroffen. Auch treten organische Schäden wie Herzfehler, Seh- und Hörbehinderungen häufiger auf.

Lebenserwartung: Wie alt Menschen mit Trisomie 21 werden, hängt vor allem von der Schwere eines möglichen Herz-Fehlers und der Ausprägung der Immunschwäche ab. Während vor 30 Jahren knapp 90 Prozent der Betroffenen vor dem 25. Lebensjahr starben, ist die Lebenserwartung inzwischen auf durchschnittlich 60 Jahre angestiegen. Der älteste bekannte Mensch mit dem Down-Syndrom wurde 83 Jahre.