Gut gegackert ist halb gewählt: die Parteiendemokratie im Landkreis trägt Züge einer Legehennen-Batterie. Aber das sagt sich so leicht als Presselügner.

Legebatterie - Journalisten kommen mit Politikern meistens ganz gut aus. Nicht, weil es unbedingt immer das Gelbe vom Ei wäre, was die Sprechorgane von Mandatsträgern verlässt, sondern vielmehr, weil der Politiker so ziemlich den einzigen Berufsstand darstellt, der in der wutbürgerlichen Mehrheitsgesellschaft ein noch geringeres Ansehen genießt als der Journalist – oder besser: der unter Lügenpresseverdacht stehende Schmierfink, der für die bösen Medien arbeitet. Politiker und Journalisten sitzen also im selben sinkenden Boot.

 

Dabei gibt es natürlich auch beliebte Politiker, zum Beispiel, wenn sie längst tot sind wie Nelson Mandela, Mahatma Gandhi oder Martin Luther King. Aber es gibt auch den handfesten Politiker von nebenan, einen Menschen zum Anfassen, von dem man aber leider meistens nicht weiß, was man von ihm zu halten hat. Wenn Politik die Kunst ist, dauerhaft und kunstfertig Ideen und Meinungen als Ei des Kolumbus zu verkaufen, dann berichten wir deshalb heute quasi live aus der Legehennenbatterie der Parteien im Landkreis.

Bilger: eher rechts- als linksaußen?

Den Anfang macht Steffen Bilger, der für den Wahlkreis Ludwigsburg (und die CDU) im Bundestag sitzt. Lange Zeit wusste niemand so recht, was er von diesem jungen Kerl (36) zu halten hat: als Gründer des neokonservativen, eher rechts- als linksaußen stehenden Kreises Jung-Weikersheim schien er dem anarchisch-syndikalistischen Schwarzen Block eher distanziert gegenüberzustehen. Doch sein freundliches, verbindliches Lächeln und seine recht zurückhaltende Art sowie die Tatsache, dass viele seiner Pressemitteilungen tatsächlich Substanz hatten (das ist nicht selbstverständlich!), ließen Zweifel aufkommen: Ist dieser Bilger doch kein Rechtsausleger, sondern womöglich offener und progressiver als erwartet?

Jetzt haben wir Gewissheit – Gott sei Dank, wie der Besucher des krachledernen CSU-Parteifestivals in Wildbad Kreuth zu nuscheln pflegt. Beim geistesverwandten Treff mit der Senioren-Union in Ludwigsburg stellte Bilger jüngst klar: Kopftuch im Unterricht? Geht gar nicht! Der Islam gehört zu Deutschland? Von wegen. Vorratsdatenspeicherung? Ja, bitte! Terrorgefahr in Deutschland? Und wie! Griechenland und die Schuldenkrise? „Meine Geduld geht zu Ende.“ Schwule, Lesben und grün-rotes Gendergedöns? „Man kann und muss nicht alles akzeptieren, was in der Gesellschaft Realität ist.“ Da dürfte der Jungspund gepunktet haben bei den Senioren.

Große Hurra-Einigkeit

Kommen wir zur anderen (Bundes-)Regierungspartei. Die Jusos als Rekrutierungskolonne der SPD treten im Landkreis wahrscheinlich altersbedingt seltener öffentlich in Erscheinung als die Senioren-Union. Dennoch meldete sich neulich Georg Gauger, Vorsitzender der Juso AG Ludwigsburg, zu Wort. Dieser traute sich tatsächlich zu schreiben, was kein Amtsinhaber vor ihm zu äußern wagte: die Idee der Stiftung Hoffnungsträger, Flüchtlinge interniert, Pardon: integrativ und gemischt mit Einheimischen ins Osterholz bei Asperg zu verpflanzen, sei nicht so der Hit: „Es fehlte die Unterstützung der Bevölkerung, da Wald abgeholzt und das ‚Waldhaus‘ geschlossen werden müsste.“ So was! Dabei hatten alle betroffenen Bürgermeister, der Landrat, Gaugers großes Vorbild und Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel sowie die Integrationsministerin Öney (fast alle SPD) ein und denselben Standpunkt zu dem politisch korrekten Projekt vertreten, der sich wie folgt zusammenfassen lässt: Hurra!

Das muss daran liegen, dass Gauger laut seinem E-Mail-Anhang „Deligierter LDK“ und „Deligierter KDK“ in Personalunion ist. Es ist anzunehmen, dass sich das erstgenannte Wort von „Delirium“ ableitet. Was die Abkürzungen dahinter bedeuten, sollte bei der nächsten Kreisdelegiertenversammlung erörtert werden.

Auch ein schlechter Ruf verpflichtet

Es stimmt wirklich: Claus Langbein ist nicht mehr Pressesprecher der Kreistags-Grünen. Seine Meldungen würden stets ignoriert, beklagte er. Sein Nachfolger solle jemand werden, „der immer wieder die Gier der Presse nach Sensationen bedienen kann“. Die von ihm gelegten Enteneier seien, „obwohl die Presse eine Affinität zu Enten hat“, nicht berücksichtigt worden. Im elektrisch-sozialen Netzwerk Facebook schrieb er im Nachgang noch, woran das liege: Vieles müsse von den Zeitungen verschwiegen werden, weil diese ja großteils von Anzeigenkunden mit Geld lebten und diese Anzeigenkunden natürlich parteipolitisch gefärbt seien. Um den Regierungswechsel im Südwesten nicht zu gefährden, greifen wir deshalb zu zweierlei Maßnahmen: wir ignorieren die Meldungen der Kreistags-Grünen konsequenter denn je. Und: wir ignorieren ausnahmsweise mal die FDP. Auch ein Lügenpresse-Ruf verpflichtet.