Ketten aus Beton und Taschen aus Segeln? Das gibt es tatsächlich. Die Produktentwickler kommen aus Stuttgart und bieten ihre Produkte auf der alternativen Weihnachtsmesse Schöne Bescherung an. Dabei ist die Messe nicht die einzige, die sich vom Mainstream abheben will.

Digital Desk: Lena Hummel (len)

Stuttgart - Sandra Zwigarts Kette ist ein richtiger Hingucker. Ihr Freund Alexander Meyer hat sie selbst gemacht, ein Jahr lang musste die 32-Jährige auf ihr Schmuckstück warten. Das Außergewöhnliche: Der Anhänger ist aus Beton. „Nicht aus grobem, schwerem Beton“, sagt sie. Leicht und filigran soll er sein, eine spezielle Mischung, die das Paar beim Umbau seiner Wohnung eingesetzt hat. Aus den Resten hat Meyer das Stück gegossen. Und Schalen, Eier- und Zahnputzbecher. „Anfangs wollten wir die Sachen nur für uns selbst. Unsere Freunde fanden die Produkte dann aber so toll, dass sie auch welche haben wollten“, erzählt Zwigart. Das war die Geburtsstunde von Kaktus0711.

 

So heißt das Unternehmen, unter dessen Name Meyer die Betonprodukte seit rund einem Jahr vertreibt. Seine Freundin unterstützt ihn dabei, hat offiziell aber nichts mit dem jungen Label zu tun. „Erst haben wir überlegt, das Unternehmen Betonklunker zu nennen“, sagt Zwigart. Wollten sie sich weiterentwickeln, wäre das aber problematisch gewesen. „Wir haben uns dann mal über Kakteen unterhalten und festgestellt, dass wir beide die Pflanzen ganz toll finden und dass es auch die einzigen sind, die wir zuhause haben.“ So sei der Name entstanden. Den Beton mischt das Paar zuhause im Badezimmer in Steckfeld, die Produkte verkaufen sie hauptsächlich auf Märkten und Messen.

Individualität statt Massenware

Auch auf der Design-Weihnachtsmesser Schöne Bescherung, die am 1. und 2. Dezember in der Phoenixhalle im Stuttgarter Römerkastell stattfindet, hat Meyer einen Stand. Über 110 Aussteller verkaufen dort ihre Produkte. Das Konzept, bei dem es um Individualität statt Massenware geht, boomt: „Bei der ersten Ausgabe 2014, die damals noch in der Stuttgarter Liederhalle stattfand, waren rund 3000 Besucher da. 2016 sind wir dann in die Phoenixhalle umgezogen. Da haben wir mehr Platz“, sagt Katrin Scherer, Projektassistentin bei Schöne Bescherung. 2017 seien es 6000 Besucher gewesen, für die diesjährige Veranstaltungen seien auf Facebook aktuell schon 8000 Personen interessiert.

Lesen Sie hier: Sieben Gründe, warum der Advent in Stuttgart am schönsten ist

„Die Intention der Veranstaltung ist, besondere Geschenke anzubieten, die es nirgends in der Stadt zu kaufen gibt“, sagt Scherer. Alleine ist die Messe mit dieser Idee nicht: Die Wagenhallen veranstalten am 15. und 16. Dezember ihre Weihnachtsmarkt-Alternative Kunstkaufhaus, bei der Designer und Künstler aus Stuttgart und ganz Deutschland ihre selbst gemachten Produkte ausstellen. „Das hat nichts mit einem normalen Weihnachtsmarkt zu tun, bei dem die Sachen aus Tibet oder sonst wo herkommen“, sagt Stefan Mellmann, Geschäftsführer der Wagenhallen.

Inspiriert durch Ikea-Taschen

Holy Shit Shopping, die Mutter der unkonventionellen Weihnachtsmärkte, präsentiert sich am 22. und 23. Dezember – ebenfalls in der Phoenixhalle im Römerkastell. Ihren Ursprung hat die Messe in Berlin. Angefangen hat alles 2004, 2007 ist sie auch nach Stuttgart gekommen. Eine bestimmte Zielgruppe gibt es laut Holy-Shit-Geschäftsführerin Harriet Udroiu nicht. „Unter den selbst gemachten Angeboten ist für jeden Geldbeutel etwas dabei“, sagt sie. Die Schöne Bescherung richtet sich dagegen an ein „kaufkräftiges, etwas älteres Publikum“, so Scherer. „Deshalb sehen wir uns auch nicht als direkte Konkurrenz zu Holy Shit Shopping.“

Tanja Stetter und Clea Günther waren letztes Jahr als Aussteller bei Holy Shit Shopping in Stuttgart. Dieses Jahr sind sie bei der Weihnachtsmesse Schöne Bescherung dabei – mit Taschen aus alten Segeln. Die Produktidee ist während eines gemeinsamen Urlaubs entstanden: „Tanja Stetter ist meine Schwägerin und wir waren gemeinsam mit unseren Kindern und Männern im Urlaub, als uns aufgefallen ist, dass viele Menschen Ikea-Taschen mit ans Meer nehmen“, erzählt Günther. Die seien zwar praktisch aber nicht sehr schön. Die Frauen haben sich deshalb entschieden, eine Alternative zu schaffen. Dass Günther Mode- und Stetter Grafikdesignerin ist, kam da gelegen.

Viele Segel landen auf dem Müll

„Das Einzige, was wir wussten, war, dass wir große, schlichte Taschen machen wollen und dafür ein stabiles Material brauchen“, sagt Günther. Die Frauen seien zwar beide keine Seglerinnen, gebrauchte Segel hätten sich aber aus unterschiedlichen Gründen als geeignet herausgestellt. Sie seien weiß und schlicht, gleichzeitig aber von der Sonne und vom Wind gegerbt und aufgrund ihrer Patina einzigartig. An das erste Versuchsexemplar gelangte Günther über Kontakte. „Mein Mann hat einen Kunden, der segelt und uns ein altes Segel geschenkt hat.“ Im Herbst 2015 haben die Designerinnen ihr Unternehmen Sii Bags gegründet, die alten Segel beziehen sie inzwischen von Segelmachern am Bodensee. Die Segel werden zurückgegeben, wenn sie in ihrer eigentlichen Funktion ausgedient haben.

Die 45-Jährige weiß zwar, dass sie nicht die Einzigen sind, die alte Segel zweitverwerten, trotzdem lande der Großteil nach wie vor auf dem Müll. Die Taschen nähen die Frauen selbst; bei Günther zuhause in Heumanden hätten sie sich dafür ein Arbeitszimmer eingerichtet. Eine Scheune diene als Lager. Neben der großen Tasche im Ikea-Style produzieren die Stuttgarterinnen heute Taschen in unterschiedlichen Größen. „Vor allem mit der großen Tasche assoziieren viele Leute aber eine Badetasche und somit Sommer“, sagt Günther. Die Ausstellung bei der Weihnachtsmesse sei deshalb ein Versuch, das Produkt auch im Winter an den Mann zu bringen.

Weitere Informationen zu den alternativen Weihnachtsmärkten finden Sie in unserer Bildergalerie.