In Bioläden sind immer häufiger Linsennudeln, Lupinenschnitzel und ähnliche eiweißreiche Produkte zu finden. Der Rohstoff dafür wächst auf heimischen Feldern und stellt eine Alternative zu häufig gentechnisch manipuliertem Importsoja dar.

Steinheim am Albuch - Wilfried Straubs Acker auf der Ostalb sieht für einen Laien ziemlich wüst aus: Verstreut stehen Gerstenhalme auf dem Feld, dazwischen wuchert eine niedrige Pflanze mit zarten Stängeln und feinen, gefiederten Blättern. Kleine braune Samentütchen hängen daran. Dazwischen leuchtet vereinzelt das Blau von Kornblumen und das Weiß von Kamillen. Der Experte sieht natürlich auf den ersten Blick, dass das keineswegs ein vernachlässigtes Feld ist, sondern vielmehr ein nach ökologischen Gesichtspunkten bewirtschaftetes Anbaugebiet einer wichtigen Bierzutat und einer schwäbischen Leibspeise. Und was ein paar hundert Meter ähnlich wild aussieht, wird einmal Kaffee.

 

Wilfried Straub ist einer der Landwirte in Baden-Württemberg, die auf den Trend aufgesprungen sind, Eiweißpflanzen auf ihren Äckern anzubauen. Was da auf seinem Feld zwischen den Braugerstenhalmen wächst, sind Linsen – genauer gesagt die zeitweise verloren geglaubte und in Sankt Petersburg wiedergefundene Sorte Späths Alblinse I. Sie brauchen das Getreide als Stütze, um nicht platt über den Boden zu wuchern und so dem Mähdrescher das Leben schwer zu machen und zudem leichte Beute für Schimmel und Krankheiten zu werden. Auch bietet die Gemeinschaft zweier Kulturen auf dem Acker dem Unkraut weniger Chancen zu wuchern – „das ist ein richtiger Teppich“, sagt Straub und zeigt auf die Pflanzen rund um seine Füße.

Hinter Café Pino verbergen sich Lupinen

Auf dem zweiten Feld baut Straub Lupinen an. Ihre Samen lässt er von der Erzeugergemeinschaft Kornkreis, der Straub angehört, zu Kaffeeersatz weiterverarbeiten – unter dem Namen Café Pino ist er im Biohandel zu kaufen. Insgesamt fünf seiner 40 Hektar Ackerland bebaut der Bioland-Bauer aus Steinheim am Albuch im zweiten Jahr mit Linsen und Lupinen.

Die Feldfrüchte liegen im Trend. Sowohl, was ihren Anbau, als auch, was ihren Verzehr angeht. Unter dem Namen Alb-Leisa vertreibt eine Erzeugergemeinschaft mit stetig wachsendem Erfolg Biolinsen von der Alb – auch Straubs Bioland-Hof zählt zu den mehr als 70 Betrieben der Gemeinschaft. Die Nachfrage ist groß, vor allem die Biokundschaft schätzt die kleinen Hülsenfrüchte, die es weltweit in Dutzenden verschiedenen Sorten gibt. In jüngster Zeit tauchen sogar Linsen-Nudeln in den Regalen auf – beispielsweise im Sortiment des Trochtelfinger Nudelherstellers Albgold.

Nicht nur für Menschen sind die meisten Leguminosen Nahrungsquelle

Sie sind ebenso wie die Fleischersatzprodukte aus Süßlupinen, die es in letzter Zeit vermehrt im Bioregal gibt, für Vegetarier und Veganer gedacht, aber auch für Menschen, die zumindest teilweise tierisches Eiweiß durch pflanzliches ersetzen wollen. Nicht zuletzt sind auch alle diejenigen Zielgruppe, die im Rahmen einer Low-Carb-Ernährung weniger Kohlenhydrate zu sich nehmen wollen: Linsennudeln gelten mit rund 55 Gramm Kohlenhydraten und fast 25 Gramm Eiweiß in 100 Gramm Pasta als relativ eiweißreich und kohlenhydratarm.

Doch menschlicher Appetit ist nur einer der Gründe, warum der Anbau von Eiweißpflanzen zunimmt. Es gibt noch zwei gewichtigere: Zum einen dienen die Körnerleguminosen, wie der Experte die Pflanzen nennt, auch Tieren als eiweißreiche Nahrung. Das trifft nicht auf Linsen, aber auf Lupinen zu, und noch mehr auf Ackerbohnen, Futtererbsen und Soja. Soja ist nach Reis und Weizen die weltweit am meisten angebaute Nutzpflanze, aber in Deutschland hoch umstritten, weil in ihren Hauptanbaugebieten Nord- und Südamerika oft genmanipuliertes Saatgut zum Einsatz kommt. In Deutschland gedeiht Soja nur in warmen Gebieten Bayerns und Baden-Württembergs.

Brüssel hat eine Verdoppelung der Anbaufläche ausgelöst

Rund 70 Prozent der eiweißreichen pflanzlichen Produkte, die die EU als Futtermittel – also zur Fleischproduktion – benötigt, werden bisher eingeführt, heißt es beim Landwirtschaftlichen Technologiezentrum (LTZ) Augustenberg. Zwischen 1961 und 2011 ist der Bedarf daran von 17 auf 43 Millionen Tonnen angestiegen. 2012 hat das Land Baden-Württemberg deshalb eine Eiweißinitiative angestoßen, mit der sie von – im Zweifel gentechnisch veränderten – Importen unabhängiger werden will. Mit dieser Initiative ist das Land nicht alleine, auch auf Bundesebene gibt es ein Förderprogramm.

Nicht zuletzt hat sich auch die EU hinter das Ziel gestellt, den heimischen Anbau von Soja, Lupinen & Co zu fördern. Seit 2015 zahlt Brüssel einen Teil der Agrarförderung nur dann an konventionell arbeitende Landwirte aus, wenn sie fünf Prozent ihres Ackerlandes zu ökologischen Vorrang-Flächen umwidmen – alternativ ist auch der Anbau bestimmter Pflanzen erlaubt. Und zu diesen zählen „Stickstoff bindende Pflanzen (Leguminosen)“. „Das hat innerhalb nur eines Jahres zu einer Verdoppelung des Anbaus von Eiweißpflanzen geführt“, berichtet Joachim Raupp, der beim LTZ das Sachgebiet Körnerleguminosen betreut. Raupp sprich von einem „einmaligen Effekt“.

Körnerleguminosen verbessern ganz nebenbei auch noch die Bodenqualität

Abgesehen davon, dass Soja, Lupine & Co eiweißreich sind, haben sie auch einen erstaunlichen bodenverbessernden Effekt: Ihre Wurzeln werden von Knöllchenbakterien besiedelt, die die Pflanzen mit Stickstoff versorgen und ihrerseits von den Wurzelausscheidungen der Leguminosen profitieren. Die Leguminosen düngen sich also selbst. Nach der Ernte verbleibt zudem viel Stickstoff in der Erde und verbessert die Bodenqualität erheblich – ohne das unter massivem Energieaufwand künstlicher Stickstoffdünger eingesetzt werden muss.

Auch für Wilfried Straub war dies ein Hauptgrund, Anbauversuche mit Lupinen und Linsen zu wagen. Seine Erfahrungen sind auch im zweiten Jahr gut, sagt er, auch wenn er mittlerweile Bekanntschaft mit Eingenarten von Lupinen machen musste: Die Pflanze, die übrigens spektakulär blüht, bevorzugt saure Böden – pH-Werte über 6,8 goutiert sie ebenso wenig wie zu viel Nässe. Man höre immer wieder von Kollegen, die Komplettausfälle zu beklagen hätten. Das ist ihm nicht passiert. Seine Ernte verspricht gut zu werden – auch wenn das Feld nicht so aussieht. Jedenfalls für einen Laien.