Wer über eine betriebliche Altersvorsorge verfügt, erlebt im Ruhestand oft ein böses Erwachen: Die Abzüge für Kranken- und Pflegeversicherung sind fast doppelt so hoch wie bei der gesetzlichen Rente. Die SPD setzte sich in den Koalitionsverhandlungen für eine Entlastung ein – und scheiterte.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Alexander Hettinger hat fürs Alter vorgesorgt. Jedenfalls fühlte er sich gut gerüstet, als er vor vier Jahren in den Ruhestand ging – schließlich verfügte er über eine Betriebsrente. Doch kurz vor der ersten Auszahlung erfuhr er, dass diese geringer ausfallen würde als erwartet: Von den Bezügen werden nämlich neben Steuern auch Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen. Sie sind bei Betriebsrenten fast doppelt so hoch wie im Berufsleben – oder auch bei der gesetzlichen Rente . Bis vor wenigen Tagen setzte Hettinger noch Hoffnungen in die Koalitionsverhandlungen: „Ich glaube, die SPD will nun diese Ungerechtigkeit beenden“, schrieb er in einer Lesermail. Nun ist klar: Die Sozialdemokraten konnten sich nicht durchsetzen. In der endgültigen Fassung des Koalitionsvertrags taucht ihre Forderung, die Krankenkassenbeiträge für Bezieher von Betriebsrenten zu senken, nicht mehr auf.

 

Der Verein Direktversicherungsgeschädigte, der gut 1000 Betroffene vertritt, zeigte sich enttäuscht: „Seien Sie versichert, dass wir weiterkämpfen werden“, schrieb der Vorsitzende Gerhard Kieseheuer unserer Zeitung. Der Sozialverband VdK bedauerte, eine Entlastung wäre „ein wichtiger Beitrag gewesen, um zu einer größeren Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu kommen“.

Doch es bleibt dabei: Während bei Berufstätigen der Arbeitgeber knapp die Hälfte der Krankenkassenbeiträge zahlt, müssen Betriebsrentner seit 2004 den vollen Beitrag allein tragen. Er liegt derzeit bei nahezu allen gesetzlichen Krankenkassen über 15 Prozent. Hinzu kommt noch der Beitrag zur Pflegeversicherung. „Bei den Ruheständlern führt dies zu empfindlichen Einbußen – in vielen Fällen von 100 Euro im Monat und mehr“, heißt es beim VdK.

Zwar gilt auch für Alterseinkünfte: Bezüge oberhalb der sogenanntem Beitragsbemessungsgrenze von 53 100 Euro im Jahr werden nicht belastet. Allerdings dürften nur wenige Ruheständler auf eine jährliche Betriebsrente in dieser Höhe kommen. Sich den im Berufsleben angesparten Gesamtbetrag auf einen Schlag auszahlen zu lassen bringt in Bezug auf die Krankenkassenzahlungen nichts: In diesem Fall wird die Summe auf zehn Jahre umgelegt und anschließend der monatliche Beitrag ermittelt. Wer also über eine betriebliche Altersvorsorge von insgesamt 100 000 Euro verfügt und sich diese als Kapitalleistung sofort auszahlen lässt, dem werden für Kranken- und Pflegeversicherung rund 18 000 Euro abgezogen.

Reform würde die gesetzliche Krankenversicherung 2,5 Milliarden Euro kosten

Eine Reduzierung der Beiträge auf den Arbeitnehmeranteil lehnte die Bundesregierung vergangenes Jahr mit der Begründung ab, der gesetzlichen Krankenversicherung gingen mit einer solchen Reform zweieinhalb Milliarden Euro an Einnahmen verloren. Die Folge wären steigende Krankenkassenbeiträge für alle gesetzlich Versicherten.

Das zu Jahresbeginn in Kraft getretene Betriebsrentenstärkungsgesetz brachte Erleichterungen nur für eine kleine Gruppe von Betriebsrentnern: Über den Arbeitgeber organisierte Riester-Renten wurden von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung befreit. Die Bundesregierung begründete dies damit, dass bei diesen Verträgen schon in der Ansparphase Beiträge fällig werden. Bei den meisten Betriebsrenten ohne Riester-Förderung verhält es sich anders: Hier können Beiträge bis zu einer Grenze von gut 3100 Euro im Jahr vom Bruttolohn abgezogen werden. Diese sogenannte Entgeltumwandlung schmälert den Gehaltsanteil, auf den Sozialabgaben gezahlt werden. Dafür müssten eben aus den späteren Betriebsrenten Krankenkassenbeiträge gezahlt werden, argumentierte die Bundesregierung.

Noch immer muss ein Teil der Betroffenen vor und nach dem Ruhestand zahlen

Damit ging sie allerdings darüber hinweg, dass es neben der betrieblichen Riester-Rente noch weitere Konstellationen gibt, in denen sowohl in der Anspar- als auch in der Auszahlungsphase Krankenkassenbeiträge fällig werden.

Dies gilt vor allem für Altfälle: Wurde vor 2005 eine betriebliche Altersvorsorge im Wege der Direktversicherung oder über eine Pensionskasse eingerichtet, so können die Einzahlungen einer sogenannten Pauschalsteuer unterworfen werden. Das bietet im Ruhestand steuerliche Vorteile. Dafür werden aber schon in der Ansparphase Sozialabgaben fällig – und erneut Krankenkassenbeiträge bei der Auszahlung. Dasselbe gilt, wenn ein Arbeitnehmer für die Betriebsrente Beiträge oberhalb der Entgeltumwandlungsgrenze spart. Die neue Bundesregierung müsse die „Doppelverbeitragung“ abschaffen, forderte die Fraktion der Linken im Bundestag. „Nehmen Sie endlich die Probleme der Menschen ernst“, appellierte der Linken-Abgeordnete Matthias Birkwald an die Adresse von Union und SPD.