Der Football-Traum des Jakob Johnson in der NFL währte nur vier Spiele lang. Dann verletzte sich der Fullback der New England Patriots – nun steht der gebürtige Stuttgarter vor einer unsicheren Zukunft.

Boston - Montagabend in Foxborough. Jakob Johnson sitzt mit seiner Freundin Britney in der gemeinsamen Wohnung und guckt „Monday Night Football.“ Die New England Patriots gastieren bei den New York Jets. Es ist das erste Mal nach mehr als einem Monat, dass der gebürtige Stuttgarter Johnson bei einer Patriots-Partie nicht als Fullback auf dem Football-Feld steht, sondern das Spiel auf der Couch verfolgt.

 

Natürlich wäre er gerne mit dem Team nach New York geflogen. Selbstverständlich hätte er nichts lieber getan, als wieder knapp zwei Meter hinter Quarterback-Star Tom Brady zu stehen, und seinen Runningsbacks im Laufspiel den Weg freizurammen. Doch Johnson ist an der Schulter verletzt, fällt lange aus. Sein steiler Aufstieg ist gestoppt. Vorerst.

„Das ist natürlich blöd, aber auch Teil des Spiels. Verletzungen passieren“, sagt Johnson im Gespräch mit unserer Zeitung. Zur Schwere seiner Verletzung könne, oder besser gesagt, dürfe er nichts sagen. „Da muss das Team sich zu äußern“, sagt Johnson. Doch die Patriots-Presseabteilung mauert diesbezüglich genauso, wie die Patriots-Defensive in den bisherigen sieben Saisonspielen auf dem Platz. Sie hält dicht.

Johnson kommt auf die Liste der Verletzten

Im Gespräch wird deutlich, dass Johnson durchaus mehr sagen würde, aber das wäre ein Verstoß gegen die Mannschaftsregeln – und könnte im schlimmsten Fall eine Kündigung zur Folge haben. Linke Schulter oder rechte? Fraktur? Luxation? Johnson lächelt nur. „Ich werde alles daran setzen, um wieder in Top-Form zu kommen.“

Vorerst steht sein Name auf der sogenannten „injured reserve list“. Das ist die Liste der Langzeitverletzten. Wer hier geführt wird, muss mindestens acht Wochen pausieren. Andere Teams mögen die Öffentlichkeit über den Stand ihrer Langzeitverletzten informieren – die Patriots schotten sie völlig ab. Johnson kommt zwar weiterhin täglich zur Arbeit, hat immer noch seinen Kabinenspind genau gegenüber von Brady, wird untersucht, erhält Behandlungen, trainiert im Kraftraum „so gut es geht.“ Und auch Spielzüge lassen sich mit einer Schulterverletzung mühelos studieren. Aber wenn die Presse vor oder nach den täglichen Trainingseinheiten für 45 Minuten in die Kabine gelassen wird, um mit den Spielern zu sprechen, ist Johnson immer schon weg.

Am 10. Oktober hatte er sich im Heimspiel gegen die New York Giants verletzt. Die Patriots setzten ihn vier Tage später auf die „IR list“. Somit könnte der Deutsche ab dem 10. Dezember wieder zur Verfügung stehen. Möglich sei alles, betont Johnson mit entschlossener Stimme. Allerdings erlauben die NFL-Regularien nur zwei Profis von der „IR list“ wieder für den Spielkader zu aktivieren. Und die Patriots haben derzeit fünf Langzeitverletzte. Deshalb ist im Großraum Boston davon die Rede, dass Johnsons Saison wohl vorbei sei. Nach vier Spielen, einem gefangenen Pass und fünf Yards Raumgewinn.

Doch diese Zahlen erzählen nicht annähernd die grandiose Geschichte des Jakob Elijah Johnson, die selbst in Neu England viele fasziniert hat. Denn der Sohn einer Deutschen und eines Afro-Amerikaners schaffte das, was vorher noch keinem gelungen war – als Akteur des 2017 speziell für ausländische Spieler gegründeten International Pathway Program einen Platz im NFL-Kader zu bekommen. Mehr noch: Johnson trainierte nicht nur mit, er spielte sogar.

Vom Kellner ins blaue Trikot der Patriots

Als die Patriots am 22. September die New York Jets zu Gast hatten, schloss sich für ihn der Kreis. Sein langer Weg, der im Herbst 2018 begann, ihn von den Stuttgart Scorpions über ein Probetraining in London sowie ein dreimonatiges Camp unter NFL-Bedingungen in Florida schließlich im April zu den Patriots brachte, führte Johnson an jenem herrlichen Spätsommer-Sonntag auf den Kunstrasen des Gillette Stadium. Im blauen Patriots-Trikot und der Rückennummer 47 lief Johnson über den Platz und schrieb NFL-Geschichte. Genau ein Jahr zuvor hatte er sich daheim noch darauf vorbereitet, auf dem Badischen Oktoberfest in der Nähe von Freiburg als Kellner zu arbeiten. Nun spielte Johnson für den NFL-Champion.

Wie es weitergeht, weiß er nicht. Johnson hat nur einen Vertrag für diese Saison. Ob die Patriots mit ihm verlängern wollen, ob andere Vereine Interesse haben – all das, sagt Johnson, liege nicht in seiner Macht. Er konzentriert sich voll auf seine Reha und „will einfach Football spielen. Wo, das wird sich dann alles ergeben.“