Der Superbowl rückt näher, die US-Profi-Liga im American Football steuert auf ihren Saison-Höhepunkt zu. Warum die Football-Gemeinde auch in Deutschland immer größer wird, versuchen vier Fans aus unserer Redaktion zu erklären.

Stuttgart - Stars, Spannung, Spektakel: Weil es bis zum Super Bowl am 13. Februar in Los Angeles nur noch zwei Wochen sind, rückt die US-Profiliga im American Football auch bei den deutschen Fans mehr und mehr in den Fokus. Vor den beiden Halbfinalspielen zwischen den Kansas City Chiefs und den Cincinnati Bengals (Sonntag, 21 Uhr, MEZ ) sowie den Los Angeles Rams und den San Francisco 49ers (Montag, 0.30 Uhr MEZ/jeweils live bei Pro Sieben) erklären vier unserer Sportredakteure, warum die NFL sie ebenfalls in ihren Bann zieht.

 

Redakteur Jürgen Kemmner: Jeder Einzelne im Team ist wichtig

Bei fast allen Clubs ist der Quarterback der Star, er hält die Fäden in der Hand, auf ihm ruht die größte Verantwortung. Wenn Pat Mahomes (Chiefs) oder Matthew Stafford (Rams) einen schwarzen Tag erwischen, verpassen ihre Teams den Super Bowl. Aber eines ist auch unbestritten: Wenn die Offense Line, die den Quarterback schützt, ihren Job nicht erfüllt, gelingt dem Spielmacher wenig. Und lässt der Wide Receiver einen exakt geworfenen Ball in der Endzone fallen, gibt’s keine Punkte. Manchmal entscheidet der Kicker aus 55 Yards das Spiel per Field Goal, und selbst die Verteidigung kann eine Partie (indirekt) gewinnen, wenn sie die Spielzüge des Gegners erahnt und ihn stoppt. Im Fußball kann ein Lionel Messi mit einem feinen Dribbling alleine ein Tor erzielen – im Football ist jede einzelne Position wichtig, es ist ein kollektiver Verbund von verschiedenen Fähigkeiten, der ein Match entscheidet: Den Sieg können alle nur gemeinsam erringen, wobei ein exzellenter Quarterback freilich nicht schadet.

Redakteur Heiko Hinrichsen: Eine positiv verrückte Sportgemeinde

Es begann beim Nischensender Pro Sieben Maxx mit einem vermeintlich leicht überdrehten Sportfreak mit langen Haaren und Berliner Schnauze, der auf den Spitznamen „Icke“ hört. Doch das TV-Footballteam mit den Pionieren Christoph „Icke“ Dommisch sowie dem Coach Patrick Esume an der Spitze – es hat über die Jahre sehr vieles richtig gemacht. Inzwischen läuft die National Football League beim großen Bruder Pro Sieben – und die Fangemeinde wächst weiter unaufhörlich.

Dies hat gleich mehrere Gründe: Die NFL ist anders als der Profifußball in Deutschland weiter im Free-TV zu sehen, wo Dommisch und Co. schon lange den gepflegten Doppelpass zwischen der alten Fernsehwelt und den Social-Media-Plattformen im Internet spielen. So wird einerseits fachkundig erklärt, was etwa ein Safety oder was die sogenannte Chain-Gang ist. Fan-Schnappschüsse aus dem heimischen Wohnzimmern komplettieren dabei das Bild von einer im besten Sinne Football-verrückten Sportgemeinde.

Redakteur Tim Wohlbold: Play-off-Motto siegen oder fliegen

Hin- und Rückspiele, Play-off-Serien mit drei, fünf oder gar sieben Partien, langwierige Vor- und Rückrunden. All das kennen NFL-Fans und -Profis nur aus anderen Sportarten. 17 Saisonspiele (früher 16), danach geht es für die qualifizierten Football-Teams direkt rein in den K.-o.-Modus der Play-offs, der Woche für Woche besagt: Siegen oder fliegen. Es gibt kein Rückspiel, in dem man Dinge wieder geraderücken kann. Keinen Ortswechsel, um eine langwierige Serie doch noch zu drehen. In den NFL-Play-offs zählt nur das Heute. Und wer verliert, der ist morgen schon im Urlaub. „Win or go home“, sagen dazu die US-Amerikaner.

Dieser gnadenlose Modus hat nicht nur den Vorteil, dass es in jedem einzelnen Spiel um alles geht. Nein, ab und zu sorgt er auch dafür, dass der Außenseiter eine Runde weiterkommt. Übertragen in den Fußball bedeutet das: In einem Spiel sind auch die übermächtigen Bayern zu bezwingen. Das garantiert große Spannung im Titelrennen.

Redakteur Jochen Klingovsky: Eine Ansammlung von Superstars

Natürlich haben die Kritiker recht: Die NFL ist eine perfekt funktionierende Vermarktungsmaschinerie. Ein Milliarden-Dollar-Geschäft, das auch deshalb so viel Kohle abwirft, weil Fans bereit sind, 90 Euro für einen Parkplatz am Stadion und 15 Euro für ein Bier zu bezahlen – ohne dabei das Gefühl zu haben, abgezockt zu werden. Wie das gelingt? Mit knallhartem Sport, der zum Lebensgefühl vieler Amerikaner passt.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Die Legende Tom Brady

Und mit Stars. Keine andere Profiliga produziert so viele Superhelden, lebende Legenden, Werbegiganten, Multimillionäre. Tom Brady, Patrick Mahomes, Aaron Rodgers, Josh Allen, Odell Beckham jr. oder Aaron Donald prägen nicht nur ihre Teams, sondern eine ganze Sportart – und diese Liste ließe sich beliebig verlängern. Eine derartige Ansammlung von überragenden Athleten und schillernden Persönlichkeiten mit guten Geschichten und immer neuen Rekorden ist sonst nirgendwo zu finden. Ihnen bei der Arbeit zuzuschauen macht einfach nur großen Spaß. Aller Vermarktung zum Trotz.