Donald Ray Pollock hat einen harten Roman über die US-Provinz der Sechziger geschrieben. Religiöser Wahn führt hier bis zum Mord.

Stuttgart - Eine wirklich gute Frage ließ der Schriftsteller Wolfgang Borchert (1921-1947) mal eine seiner Figuren stellen: „Wann bist Du eigentlich lieb, lieber Gott?“ An die muss man denken, wenn man Donald Ray Pollocks Roman „Das Handwerk des Teufels“ liest. Der spielt von Ende der vierziger Jahre bis in die Sechziger hinein im Süden und Mittelwesten der USA, abseits der großen Städte. Die armen Leute in diesen Landstrichen leben krude Vorstellungen von Religion, eine Mischung aus Fluchmagie und Beschwichtigungsritualen.

 

Das Christentum ist hier kein Licht der Welt, es ist eine Wolke der Finsternis. Donald Ray Pollock beschreibt das nicht zynisch, sondern nüchtern. Grotesk ist schon das, was geschieht, das Abschlachten von Tieren auf einer Waldlichtung etwa, um mit diesem Blutopfer Gott zur Heilung einer krebskranken Frau zu bewegen. Pollock verzichtet auf zusätzliche sprachliche Überhitzung.

Serienkiller und korrupte Polizei

Der Roman ist bislang meist als große amerikanische Gegenwartsliteratur gelobt worden. Er findet sich aber auch auf der KrimiZeit-Bestenliste. Ob er dort hingehört, darüber lässt sich streiten. Zwar kommt es früh zu schwerer Körperverletzung mit verkrüppelnden Dauerschäden, zu einem Mord aus religiösem Wahn, und später erfahren wir von den Anhaltermorden eines Serienkillerpärchens und begegnen einem korrupten Provinzsheriff.

Aber man kann argumentieren, dass es Pollock weder um die Planung noch um die Verhinderung noch um die Aufklärung der Verbrechen gehe, dass er also gewisse krimitypische Fokussierungen nicht nutze. An diesem Befund lässt sich nicht rütteln.

Der Blick von unten

Pollock, Jahrgang 1954, hat jedoch jahrzehntelang in jener Gegend Ohios gelebt, in der viele Passagen des Buches spielen. Er war Arbeiter und Lastwagenfahrer in der Papiermühle von Meade und hat erst mit fünfzig Jahren den Blaumann ausgezogen, um einen Creative-Writing-Kurs zu belegen.

Pollock bringt also proletarische Erfahrungen und den Blick von unten mit. Will heißen: er kennt sich aus in einer Welt, in der die schönen Regeln des Bürgerlichen immer schon Phrasen aus einem anderen Milieu waren. In der gleichgültig Spielregelverletzungen abgehakt wurden, die an anderen Orten mit anderen Opfern zu großer Aufregung geführt hätten.

Das Gesetzbuch als fremde Religion

In „Das Handwerk des Teufel“ zeigt Pollock nicht einzelne Verbrechen als spektakuläre Abweichung von der Normalität. Er zeigt eine Welt, in der diese Normalität Fiktion ist. In der die Menschen selten überlegen, was das Gesetzbuch erlaubt, bevor sie handeln. Das Gesetzbuch scheint hier eher das Regelbuch einer fremden Religion, der sie nicht angehören und das darum keinerlei Belang hat. Für mich ist „Das Handwerk des Teufels“ also doch wieder ein Krimi.

Wie gesagt, darüber kann man streiten. Das angenehm Überraschende ist, dass diese Debatte nicht laut und eifernd, sondern ruhig und nebenbei geführt wird. Vor ein paar Jahren hätten einige Kulturpriester Pollock wohl noch vorm Zugriff der Krimischmuddelfinger schützen wollen. Hätten gewarnt, dass der Krimi sich aufwerten wolle, indem er Texte für sich reklamiere, die gar keine Krimis seien. Diese Berührängste scheinen wir hinter uns zu haben. Wie angenehm.

Donald Ray Pollock: Das Handwerk des Teufels. Aus dem Englischen von Peter Torberg. Liebeskind, München. 302 Seiten, 19,80 Euro.