Aufputschmittel sind in Stuttgart so verbreitet wie seit 25 Jahren nicht mehr. Auch bundesweit werden immer mehr Synthetik-Drogen geschluckt – auch, weil sie im Internet zu bestellen sind.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Seit dem Einzug von Techno in die deutsche Popkultur in den 90er Jahren waren Amphetamin und Ecstasy als Treibstoff der Nacht nicht mehr so weit verbreitet wie heute. 2016 war die Zahl der Verstöße im Bereich Amphetamin in Stuttgart so hoch wie seit rund 25 Jahren nicht mehr, sagt Hendrik Weiß, der Leiter des Stuttgarter Rauschgiftdezernats. Im selben Jahr wurden laut dem Bundeskriminalamt in Deutschland über zwei Millionen Pillen sichergestellt und 10 000 Delikte in Zusammenhang mit Ecstasy registriert – mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2012.

 

Die Stadt investiert in mehr Aufklärung

Ein Grund für den Anstieg im Bereich der Partydrogen: Die Vertriebsstruktur hat sich in den vergangenen Jahren radikal vereinfacht. Schuld daran ist das Internet. „Der Internethandel hat den Drogenkonsum verändert. Früher musste man mit der Drogenszene in Kontakt treten, um sich Stoff zu beschaffen. Das war mit größeren Risiken verbunden. Heute kann man die Drogen von Zuhause aus bestellen, das senkt die Hemmschwelle und man bekommt das Zeug nach Hause geliefert“, sagt Hendrik Weiß. Diese Vertriebsstruktur schlägt sich in den gesunkenen Preisen nieder: Fünf Euro koste eine Ecstasy-Pille beim Großdealer, drei Euro im Dark Net.

Die Politik reagiert auf das veränderte Konsum-Verhalten. Der Stuttgarter Gemeinderat hat jüngst die Regelfinanzierung des Partydrogen-Beratungsprojektes Take in Stuttgart beschlossen. Die Initiative klärt in Clubs und bei Szene-Veranstaltungen über die Risiken von Party-Drogen auf. Dabei greift die Einrichtung Take auch auf Ergebnisse des sogenannten Drug-Checkings zurück: Dabei werden zum Beispiel Ecstasy-Tabletten auf ihre Inhaltsstoffe geprüft, um das Gesundheits-Risiko für die Konsumenten zu minimieren.

Kostenlose Überprüfung der Drogen-Qualität

Bisher muss Take dabei auf Test-Ergebnisse aus der Schweiz oder aus Österreich zurückgreifen, weil das Drug-Checking in Deutschland nicht erlaubt ist. Als erstes Bundesland will Hessen das nun ändern. Die dortige schwarz-grüne Regierung hat für ein entsprechendes Modellprojekt 400 000 Euro im Haushalt eingeplant. „Junge Erwachsene schmeißen sich alles ein. Uns geht es darum, sie zu schützen“, erklärt Marcus Bocklet, sozialpolitischer Sprecher der Grünen im hessischen Landtag. „Wir prüfen die Realisierung eines solchen Modellprojekts. Das nimmt Zeit in Anspruch, da das nur im rechtssicheren Rahmen denkbar ist“, ergänzt Esther Walter, Sprecherin des Hessischen Ministerium für Soziales und Integration.

Nicht alle sind von der Idee des Drug-Checkings überzeugt: Die Landesregierung von Baden-Württemberg plant derzeit nicht, Programme in diesem Bereich zu realisieren, erklärt ein Sprecher des Staatsministeriums auf Nachfrage unserer Zeitung. Hendrik Weiß vom Stuttgarter Rauschgiftdezernat warnt davor, die Dealer könnten die getesteten Pillen als Werbemaßnahme für ihr Angebot nutzen.